Ein Dorf erlebt seinen Untergang
Marie Gamillscheg rittert mit „Alles was glänzt“um den Österreichischen Debütpreis. Was kann ihr erster Roman?
Sie gilt als eine der großen Hoffnungen der österreichischen Literatur. Marie Gamillscheg wird viel gepriesen, ihr Debütroman „Alles was glänzt“wird euphorisch begrüßt. Geboren 1992 in Graz, ist sie so jung, dass ihr eine erfolgreiche Zukunft gerne zugesprochen wird. Die Begeisterung allein auf die Fähigkeiten der Autorin zurückzuführen wäre unangemessen. Der Literaturbetrieb, hungrig, wie er nun einmal ist, braucht ständig neue Namen.
Wagemut fällt einem nicht als die herausragende Eigenschaft Marie Gamillschegs ein. Als in Berlin lebende Journalistin schreibt sie eine Dorfgeschichte, wo es doch recht übersichtlich zugeht und sich das Personal in Trippelschritten vorwärts bewegt, so betulich läuft es hier ab. Für große Sprünge ist kein Platz, weder im gesellschaftlichen Leben noch im Reich der Gefühle, schon gar nicht in den intellektuellen Ansprüchen. Das entspricht dem, was wir immer schon von den Landbewohnern ahnten, dass sie etwas dumpf, schwer von Begriff, langsam und vollkommen unbeweglich sind. Eingenäht in ihrem Sack der Vorurteile und jahraus, jahrein überlieferten Gewissheiten, die man Tradition nennt, lehnen sie alles, was von außen kommt, kategorisch ab. Das hat nämlich nichts mit ihrem eigenen Leben zu tun, und so dümpeln sie in einem ereignislosen Leben vor sich hin. Auf nichts zu reagieren, weil ohnehin alles seit jeher an seinem Platz steht, erweist sich als Verhängnis. Das Unvorhergesehene stellt sich gleich doppelt ein. Martin kommt auf der Gebirgsstrecke in seinem Auto ums Leben. Der unerwartete Tod bringt das Dorf ganz schön durcheinander, wie man an der Reaktion des Polizisten so ergreifend erkennt: „Himmel, sagt der Polizist. Der Martin.“
Vorhersehbar wäre der Untergang des Ortes, wenn die tölpelhaften Leute so aufmerksam wären wie Gamillscheg, die überall Signale des Untergangs ausmacht. Der Berg ist unterminiert durch zahllose Stollen, das muss sich rächen. Die Erde reißt, immerhin sucht Teresa den sich regelmäßig vergrößernden Spalt auf. Die Jugendliche malt sich aus, wie das große Rumoren einsetzt, bevor die Natur zum definitiven Vernichtungsschlag ausholt. Die Autorin ist nämlich auch eine Grüne, die stört, wie rücksichtslos ausbeuterisch wir Menschen vorgehen. Irgendwie ist es schon gerecht, wenn der Berg das Dorf holt. Sehr dezent fertigt Gamillscheg die Katastrophe, das so unvorhergesehene Ereignis, letztlich ab, etwas Grollen, etwas Zittern, es regnet Erde, und Teresa schaut unbekümmert zu.
Eine Reihe konsultierter Literatur findet sich im Anhang. Ein Buch, das ihm aber nah verwandt ist, fehlt: Juli Zehs Roman „Unterleuten“. Gamillschegs Roman sieht wie die Kleinformat-Version eines großen Vorbildes aus. Buch: