Der Höhlenbär ist nicht ausgestorben
Lange hieß es, der nahe Verwandte des Braunbären sei vollkommen verschwunden. Doch österreichische und deutsche Forscher fanden eine Spur von dem eiszeitlichen Koloss.
Der Höhlenbär lebte in Europa während der letzten Eiszeit, Pleistozän genannt. Er entwickelte sich vor etwa 400.000 bis 500.000 Jahren aus seinem Vorfahren, dem Denningerbären.
Höhlenbären werden so genannt, weil sie Höhlen zum Überwintern, wahrscheinlich aber auch als Wohnstätte und zur Aufzucht der Jungtiere nutzten. Französische Genforscher haben nachgewiesen, dass er mit den heute noch lebenden Braun- und Eisbären verwandt war. Höhlenbär und Braunbär streiften zur gleichen Zeit durch die europäischen Wälder.
Lange Zeit wurde angenommen, dass der Höhlenbär gänzlich ausgestorben ist. Doch ein internationales Team von Forschern unter Leitung der Universität Potsdam und Beteiligung von Ron Pinhasi von der Universität Wien zeigte, dass ein solches Aussterben mitunter nicht vollständig geschieht: Die Wissenschafter untersuchten das Erbgut des Höhlenbären und konnten nachweisen, dass zumindest ein Teil seines Erbguts noch im Erbgut des Braunbären zu finden ist.
Höhlenbären sahen vermutlich ähnlich aus wie sehr große und plump gebaute Braunbären. Der Höhlenbär konnte eine Größe von dreieinhalb Metern und ein Gewicht von wohl einer Tonne erreichen. Er ernährte sich vor allem von Pflanzen. Dies geht aus zahlreichen Gebissfunden deutlich hervor. Sie starben vor etwa 25.000 Jahren aus.
Die jetzt veröffentlichte Untersuchung des kompletten Erbguts von vier Höhlenbären aus verschiedenen Regionen Europas von Spanien bis zum Kaukasus aus dem Zeitraum zwischen 71.000 und 34.000 vor unserer Zeitrechnung zeigt, dass zumindest ein Teil dieses Genoms noch heute im Erbgut des Braunbären zu finden ist. Die Forscher isolierten DNA aus dem Felsenbein der Bären, einem Teil des Schädelknochens.
Offensichtlich haben Braun- und Höhlenbär gelegentlich gemeinsamen Nachwuchs, sogenannte Hybride, hervorgebracht und diese müssen auch fruchtbar gewesen sein, sodass Erbgut aus dem Höhlenbären in den Genpool des Braunbären gelangt und dort bis heute erhalten geblieben ist. Ron Pinhasi, Anthropologe an der Universität Wien, freut sich über das Ergebnis: „Zum ersten Mal ist es gelungen, DNA einer ausgestorbenen Spezies der Eiszeit in einer noch lebenden Population nachzuweisen – abgesehen von der menschlichen Abstammungslinie“, sagt er. Die Ergebnisse zeigten, dass Arten, die bereits ausgestorben sind, auf genetischer Ebene trotzdem noch für Zehntausende von Jahren am Evolutionsgeschehen teilhaben können. Höhlenbären lebten während der letzten Eiszeit ausschließlich im heutigen Europa. Skelette von Höhlenbären hat man auch in Österreich gefunden. Schätzungen zufolge starben etwa in der österreichischen Drachenhöhle bei Mixnitz im Laufe von mehreren Tausend Jahren mehr als 3000 Bären.