„Buckeln fiel mir immer schwer“
Herbert Prucher erzählt, was er von Sozialvereinen für die BankenVergleichsgespräche gelernt hat, warum Job-Rotation auch im Landesdienst gut wäre – und ob er dem Gitzentunnel nachweint.
SALZBURG. Ende November geht der Leiter der Landesfinanzabteilung, Herbert Prucher (65), in Pension – nachdem er zuvor gebeten wurde, wegen der Umstellung auf die Doppik noch einige Monate zu bleiben. Im SN-Interview zieht der Hofrat Bilanz. SN: Sie sind seit 38 Jahren im Landesdienst; davon fast 24 Jahre als Abteilungsleiter. Wie haben sich in dieser Zeit die Anforderungen an die Mitarbeiter verändert? Prucher: Sehr. Am Beginn hat es noch keine Computer gegeben. Ich war einer der Ersten, die ab 1990/91 im Sozialbereich flächendeckend PCs eingeführt haben. Da waren die Mitarbeiter verdutzt, weil sie ihre Karteikästen nicht mehr weiter betreuen konnten. (lacht) Insgesamt ist der Druck auf die Leute gestiegen, weil man sich schwer tut, Aufgaben abzugeben. Und weil man leider nicht den Weg geht, mehr Job-Rotation ins Amt zu bringen. SN: Was heißt das konkret? Wenn wer mit 30 Referatsoder Abteilungsleiter wird, entwickelt er so ein Eigenleben, dass man nach 30 Jahren sehen muss, was seine eigentliche Aufgabe war. Daher ist es gut, in verschiedenen Bereichen tätig zu sein. Ich habe es leider nicht geschafft, alle sieben Jahre zu wechseln. Das wäre gut. Aber das wollten weder Mitarbeiter noch Chefs. SN: Ihr Werdegang war untypisch: Nach Fachschule und Privatwirtschaft Matura und Studium nachgeholt; nach SPÖ-Klubsekretär und Landesratsbüro der Einstieg in die Sozialabteilung. 1984 wollte ich vom Landtagsklub weggehen. Dann gab es aber die Perspektive: „Wenn du bleibst, schauen wir, dass wir einen Referatsjob für dich kriegen.“So ist es 1989 gekommen. Damals war es noch nicht Usus, dass ein politischer Sekretär in eine Abteilung gehievt wurde. Dass ich von außen kam, war ein Vorteil. Und das Buckeln fiel mir immer schon schwer. Ich habe mich wegen meiner Größe zwar schon bücken müssen, aber nur bei den alten Türstöcken. (lacht) SN: Auch die Politik will, dass der öffentliche Dienst offener wird für Quereinsteiger. Muss man dafür aber nicht Gehälter erhöhen? Scheinbar ist durch das neue Gehaltssystem eine Verbesserung erzielt worden. Schwierig ist es aber, wenn man als Führungskraft einsteigt, weil es beim Land eigene Strukturen gibt und diese Vernetzung mit der Politik. Beim Land brauchen Entscheidungen manchmal lange. In der Wirtschaft geht es um so viel Geld, dass man viel schneller ist. Es wäre auch für das Land gut, schneller zu entscheiden. SN: Zuletzt gab es mehrere Fälle von Spitzenbeamten, die nach Vorwürfen beurlaubt oder suspendiert wurden – inklusive Disziplinarverfahren. Hat das dem Image des Landes als Arbeitgeber geschadet? Wenn es Probleme mit Spitzenbeamten gibt, dann sollte man diese lösen. Das ist auch ohne Disziplinarverfahren möglich. Man sollte beide Seiten hören, bevor man solche Maßnahmen ergreift, weil das der Beamtenschaft wehtut. Unkorrektheiten haben in der öffentlichen Verwaltung nichts zu suchen. Aber solche Verfahren führen zu Verunsicherung, weil man dazu gedrungen wird, keine Entscheidungen mehr zu treffen. Das kann nicht das Ziel sein. SN: In ihren fast 19 Jahren als Leiter der Sozialabteilung waren Sie bei Sozialvereinen und NGOs ob ihrer Spargesinnung gefürchtet. Wie kam es zu diesem Image? Wir haben als Erste in Österreich ab 1998/99 das soziale Informationssystem aufgebaut, das in einer Datenbank abbildet, welche Sozialleistungen eine Person von Stadt und Land erhalten hat – von der Jugendwohlfahrt über die Behindertenund Sozialhilfe bis zum Pflegegeld etc. Damit haben wir Transparenz geschaffen und erreicht, dass ein Pinzgauer dieselben Leistungen bekommt wie jemand aus der Stadt. Ich habe mich nicht als Subventionsgeber betrachtet, sondern versucht, den Sozialbereich zu gestalten. Und die Mittel, die ich zur Verfügung hatte, sind nie übrig geblie-
ben. Ich habe mein Budget ausgeschöpft, wenn nicht leicht überzogen. SN:
Der Finanzskandal 2012 hat Ihnen mit Oktober 2013 den Wechsel vom Sozialzum Finanzabteilungschef beschert. Haben Sie diesen Schritt jemals bereut? Nein. (lacht) Denn die Verhandlungen mit den Banken nach dem Finanzskandal waren hart, aber angenehmer, sachlicher und klarer. Im Sozialbereich hat man nie gewusst, ob eine Verhandlung nach dem Ende zu Ende war. Weil danach die Vereine sofort interveniert und versucht haben, das Ganze umzudrehen. Denn im Sozialbereich wird gruppendynamisch gearbeitet. Da lernt man unkonventionelle Verhandlungsführung. Das hat mir später bei den Banken sehr geholfen. (lacht) SN: Sie haben schwarz-rote, rot-schwarze sowie eine schwarz-grüne Regierung erlebt. Was waren die Unterschiede? In den letzten fünf Jahren habe ich eine sehr konsensuale Regierung vorgefunden – ohne diese Aug-um-Aug-Diskussion. Das war sehr erfreulich. Und ich habe gute und schlechte Ressortchefs erlebt, unabhängig von der Parteifarbe. Ich bin immer dafür gestanden, dass ich leistungsorientierte Mitarbeiter sehr geschätzt habe. Denn du musst schauen, dass du so viele leistungsorientierte Mitarbeiter wie möglich in deiner Abteilung hast. Leistung darf nicht negativ sein. Und mit Leistungswilligen arbeitet man lieber – auch wenn die Gefahr besteht, dass man gerade diese öfter mit vielen Aufträgen überfordert. Das sehe ich auch selbstkritisch. SN:
Kürzlich hat die Regierung das Budget 2019 fixiert. Kann es sich das Land leisten, gut 20 Millionen Euro mehr für die Öffis auszugeben? Das ist eine Frage der Schwerpunktsetzung. Wir müssen die Maastricht-Kriterien einhalten und wir haben fünf Jahre lang die Schulden reduziert. Aber irgendwann muss man wieder investieren und ich persönlich freue mich, dass das im Verkehr passiert ist, weil ich glaube, dass es mit dem Verkehrssystem in Salzburg insbesondere in der Stadt so nicht weitergehen kann. SN: Der ehemalige LH-Stv. Gasteiger fordert, dass das Land auf fünf Jahre gesehen in Summe 100 Millionen Euro in den öffentlichen Verkehr investieren sollte. Geht das? Das ist eine Frage, was man sonst noch alles macht. Aber ich schätze Gasteiger sehr und glaube auch, dass er das richtig sieht. SN: Wie viele Tränen weinen Sie dem 150 Millionen Euro teuren Gitzentunnel nach? Ich bin Radfahrer. Und mit dem Rad könnte man nicht durch diesen Straßentunnel fahren. SN:
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für das Landesbudget in der Zukunft? Großes Problem ist das Ende des Pflegeregresses, das uns pro Jahr 24 Millionen Euro kostet. Ich gehe aber davon aus, dass wir das vom Bund zurückbekommen. Große Herausforderung ist aber auch die Spitalsfinanzierung. Man muss schauen, dass man weiter Abteilungen verkleinert und reduziert. Und wir versorgen derzeit den oberösterreichischen Raum teilweise mit. Dass wir die Spitalskostenabgänge auch noch für sie finanzieren, ist nicht einzusehen. Da sind Politik und SALK gefragt, das Recht auszuschöpfen und Oberösterreich an den Kosten für ihre Patienten zu beteiligen. SN: Mit Dezember folgt Ihnen Manfred Huber,der Leiter der Internen Revision, nach. Was wünschen Sie ihm? Viel Erfolg und dass er sich durchsetzen kann, wo er sich durchsetzen muss. Und dass er auch Nein sagt, wenn es notwendig ist.