Salzburger Nachrichten

Eine Frau bricht die Harmonie

200 Jahre Stille Nacht: Yarina Gurtner stellt in ihrem Theaterstü­ck eine von der Gesellscha­ft verachtete Frau ins Zentrum. Es ist Anna Schoiber, die Mutter von Joseph Mohr.

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STEFANIE SCHENKER SALZBURG.

Gibt es einen Himmel für Anna? Diese Frage stellt die Oberndorfe­rin Yarina Gurtner in ihrem Stille-Nacht-Theaterstü­ck. „Anna“ist Joseph Mohrs Mutter und sie war keine Frau, die in das harmonisch­e Bild von Stille Nacht passen will. Auch wenn man nur wenig über sie weiß, steht fest: In den Himmel ist sie nach damaligen Vorstellun­gen nicht gekommen. Als Mutter von vier uneheliche­n Kindern (von vier verschiede­nen Vätern) würde sie auch heute noch schief angeschaut. Joseph Mohr kam 1792 als ihr drittes Kind auf die Welt. Drei Jahre später erstattete Anna Schoiber beim Stadtgeric­ht Salzburg Selbstanze­ige, weil sie sich „fleischlic­h verbrochen“hatte, und bezahlte dafür eine Geldstrafe. Frauen wie Anna Schoiber waren eine „Schande“, wurden als „Hure“beschimpft und von der Gesellscha­ft geächtet. Dass Anna Schoiber unter derartigen Umständen dennoch ein Kind großgezoge­n hat, das später das berühmtest­e aller Weihnachts­lieder schreiben sollte, hat Yarina Gurtner fasziniert und zu ihrem Stück inspiriert. Als Tochter von Max Gurtner, dem Kustos des Stille-Nacht-Museums Arnsdorf, war sie von klein auf mit Joseph Mohr vertraut. Über seine Beziehung zur Mutter ist wenig bekannt. „Es gibt weder Aufzeichnu­ngen noch einen Briefwechs­el“, sagt Yarina Gurtner. Den Schlüssel sieht sie in Anna Schoibers Unangepass­theit und ihrem Widerstand gegen das, was die Norm war.

In ihrem Ein-Frauen-Stück mit Musikbegle­itung schlüpft sie von der Rolle der Erzählerin in jene Joseph Mohrs und die seiner Mutter. Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn war zwiespälti­g. Die Liebe der Mutter konnte nicht verhindern, dass er sich für sie schämte. Als Vikar von Wagrain fand er vernichten­de Worte für Frauen ihresgleic­hen. Sie seien „Weibsbilde­r mit wohlgenähr­ten Leibern, mit kleinen, geilen Augen (ein Bezug auf die Geilheit von Tieren, Anm.), aus denen die Sinnes- und Fleischesl­ust spricht“, schrieb er. Doch Joseph Mohr habe sich in seinem Glauben emanzipier­t. Stille Nacht sei in dem Moment entstanden, als er allein in Mariapfarr war und sich vom obrigkeits­hörigen Salzburg befreit hat, ist Yarina Gurtner überzeugt. Da habe er diese besondere Stille gespürt. SN-Info: „Himmel für Anna“wird am 9. und 10. November um 19.30 Uhr im Benediktus­saal Lamprechts­hausen uraufgefüh­rt und geht anschließe­nd auf Tournee. Infos und Tickets:

„Diese Geschichte ist für mich ein Bruch der Stille-Nacht-Harmonie.“ Yarina Gurtner, Schauspiel­erin

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