Hotels beleben den Hauptbahnhof
Nach einer kurzen Atempause sprießen im boomenden Wien wieder die Hotelprojekte. Der Hotel- und Bürobezirk am Hauptbahnhof gedeiht dabei besser als erwartet.
Die Stadthotellerie entdeckt die Kinder
WIEN. Den generellen Befund für die aktuelle Auslastung der Wiener Hotels liefert Hermann Gruber. „Nach Schwächen im Frühjahr ist 2018 wirklich ein außergewöhnlich gutes Jahr geworden“, erklärt der Marketingleiter der Austria Trend Hotels. Die zusätzlichen Kapazitäten hätten sich kaum ausgewirkt, auch die Preisdurchsetzung habe sich spürbar erhöht. Die Hochkonjunktur und die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs nennt er als wichtigste Ursachen dafür.
Die Analyse des ersten Halbjahres durch STR Research zeigte Wien im internationalen Auslastungsvergleich trotzdem noch mit 71 Prozent knapp hinter Städten wie München, Prag und Berlin. Auch bei den erzielten Preisen hinke Wien hinter Primus Amsterdam, aber auch München und knapp hinter Berlin her. Insgesamt meldet die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) jedoch, dass Wien wie auch Salzburg und Linz bei den Hotelumsätzen aufholen konnten.
Angesichts des Hotelbaubooms am Wiener Hauptbahnhof kommen die gut gefüllten Betten eher überraschend. „Seit der Eröffnung vor 15 Monaten lagen wir im Wiener Schnitt. Aber natürlich wollen wir in Richtung 80 Prozent Belegungsrate kommen“, erklärt Novotels Cluster-Generaldirektor Thomas Wacker. Aktuell seien die nebeneinander gelegenen Häuser Ibis (drei Sterne) und Novotel (vier Sterne) vier Wochen lang faktisch ausgebucht.
Tritt man aus dem Bahnhof, ragen die Hochhäuser unmittelbar vor einem auf. Da Ibis seine Tagespreise wie ein Motel vor der Tür signalisiert, verschlägt es einem kurz den Atem: Zweibettzimmer deutlich über 200 Euro, das erstaunt. Wacker begründet das mit einem laufenden Kongress, gesteht aber ein: „Wir debattieren durchaus, wo wir bei Ibis die Obergrenze ziehen müssen. Man kann nicht immer alles verlangen, was gehen würde.“
Das Novotel kostet generell nochmals um 30 bis 40 Euro mehr. Im modernen Haus mit dem prachtvollen Ausblick aus den oberen der 19 Stockwerke fällt beim Frühstück die Kinderschar auf. „Städtereisende sind immer öfter im Familienverband unterwegs. Darauf reagiert man auch bei Novotel. Man biete zwei Kinder bis 16 Jahre gratis im Elternzimmer an, sagt Wacker, „das wirkt sich aus“. Zur Osterzeit hätten 270 Kinder das Haus belebt. Denn die 577 Gästezimmer von Ibis und Novotel gelte es erst zu füllen.
Inzwischen geht das rege Bauen weiter. Doch Thomas Wacker macht sich deshalb keine Sorgen. Von den im Frühjahr eröffnenden 303 Luxuszimmern der Hyatt-Marke Andaz erwartet er sogar eine spürbare Belebung des Platzes auf der Hotelrückseite. Dort gibt es derzeit noch freien Ausblick auf den Gürtel, wo bis Mitte 2019 das Mooons in Bau ist. Ein architektonisch anspruchsvolles Haus mit kreisrunden Fenstern, das die beiden Hotelneulinge und Architekten Marius Moser und Stefan Hitzler hier umsetzen.
„Es war sehr schwierig, die Dachlandschaft mit Bar samt Blick auf den ersten Bezirk zu lösen. Aber jetzt ist alles auf Schiene,“sagt Moser. Plan sei es, dass Mooons zur internationalen Kette werde, sonst sei der Start am Wiener Hauptbahnhof „wirtschaftlicher Suizid“. Betrieben wird das Haus von Arcotel.
Das Premierenstück von Mooons ist ein Beleg dafür, dass sich nicht nur Hotelkonzerne auf dieses Terrain wagen. Selbst das UrbanautsKonzept „Grätzlhotel“, das leer stehende Geschäfte zu stylischen Hotelzimmern auf Straßenniveau formt, erweitert im Umfeld des Hauptbahnhofs. Und wer es ganz billig mag, kann sich in der Spengergasse im Souterrain in Fox-BoxSchachteln einquartieren.
Die Vielfalt an Unterkunftsmöglichkeiten rund um den Hauptbahnhof umfasst aber auch andere Konzepte, wie die 162 Serviced Apartments im Teddy-Kollek-Haus („Smartments“). Von den investierenden Privathoteliers agiert das Zeitgeist nach eher schwierigem Start inmitten der Großbaustelle seit Längerem extrem erfolgreich. Die Zimmerbelegung liege am absoluten Limit, heißt es.
Auch das Lifestyle-Hotel Schani jubelt nach eher verhaltenem Start. „Wir hatten immer unsere Ziele erreicht, aber seit wir im Mai mit Martin Marth einen Profi für den operativen Betrieb gewinnen konnten, läuft es unglaublich“, sagt Marketing-Chefin Anita Komarek. So gut, dass in wenigen Wochen das Hotel Schani Salon eröffnet wird. Allerdings nicht beim Wiener Hauptbahnhof. Die 24 Zimmer in einem Jugendstilhaus der Familie Wittgenstein liegen an der Mariahilfer Straße. Dabei ist gerade im Raum Westbahnhof das Hotelierleben aktuell nicht ganz so einfach. So soll das mit 441 Zimmern sehr groß dimensionierte Motel One Westbahnhof deutlich schwächer laufen als die anderen Häuser der Gruppe. Auch innerhalb der Accorgruppe fällt auf, dass sich dieses Eck verstärkt durch wenig ausgabefreudige Busgruppen füllen lässt. Denn der Hauptbahnhof profitiert nicht nur durch die Bahn, sondern vor allem durch die perfekte Anbindung an den Flughafen. Ob Crews oder Reisende, die eine Nacht – manchmal unfreiwillig – in Wien verbringen, immer häufiger werden sie beim Hauptbahnhof untergebracht.
Wobei auffällt, dass in ganz Wien weiterhin neue Hotelprojekte sprießen, selbst am Topstandort Ringstraße. Spätestens im Frühjahr 2019 soll das Hotel Almanac bezugsfertig sein. Die 122 Zimmer am Parkring sind Auftakt für eine rasche internationale Expansion der am Wienerberg beheimateten WSF-Group. Almanac war bisher nur in Barcelona vertreten. Prag, Zagreb und Budapest sollen bis 2020 folgen.
Am stärksten ist der Hotelboom aktuell jedoch im Raum Wiener Messe zu spüren: Dieser Tage wird dort ein Ibis-Styles eröffnet, unmittelbar ums Eck wird bis frühestens Ende 2020 ein großes „Hampton by Hilton“errichtet. Im gleichen Komplex soll auch das deutsche DesignKonzept Superbude einziehen.
Doch die höchste Attraktivität bleibt wohl noch einige Zeit beim Hauptbahnhof, etwa wenn in einem Jahr B&B das – nach Graz – zweite Hotel in Österreich mit 400 Betten eröffnet. Neue Hotels im weiteren Umfeld (10. Bezirk) dürften sich eher an Auto fahrende Touristen oder Geschäftsreisende richten. Richtung Wienerberg/Triester Straße warten dann Holiday Inn South (ab 2019) und 7 Days Premium South Gate (ab 2020) auf zahlende Gäste.