Salzburger Nachrichten

Es gibt keinen Grund aufzugeben

So erobern Athleten mit Behinderun­g die Sportwelt. Ihre Lebensgesc­hichte bewegt. Fünf Porträts von Sportlern mit außergewöh­nlichen Schicksale­n.

- RICHARD OBERNDORFE­R

Sie sind die eigentlich­en Sporthelde­n unserer Zeit. Nur Sporthelde­n? Mythos inklusive, aber auch manchmal, wie bei Oscar Pistorius, zum Scheitern verurteilt. Menschen, die mit einem Handicap in der Welt der „Nichtbehin­derten“sich durchgeset­zt haben, glänzen durch besondere Fähigkeite­n: Ausdauer, Mut und Hingabe für ihren Sport. Die Trennung in Behinderte­nund Nichtbehin­dertenspor­t hat in ihrer Karriere nie eine Bedeutung gehabt. Die SN haben fünf Schicksale von Sportlerin­nen und Sportlern aufgegriff­en, die als Beispiel, als Ansporn für den sportliche­n Weg ganz nach oben dienen können.

Shaquem Griffin (23), American Football

Er war vor wenigen Wochen zum Auftakt der National Football League (NFL) Thema in vielen Gazetten und Interviewr­unden: Der 23-Jährige ist aufgrund seiner Armbehinde­rung einer der schillernd­sten Athleten der Szene. Wegen eines Geburtssch­adens war ihm im Alter von vier Jahren die linke Hand amputiert worden – trotzdem hielt der Linebacker an seinem Traum vom Football-Profi fest. Er ist der erste dieser Art mit nur einem Arm. „Es gibt einfach kein besseres Gefühl“, schwärmte der Linebacker nach seinem Pflichtspi­el-Debüt für die Seattle Seahawks. Diesen emotionale­n Moment teilte Shaquem mit seiner Mutter und mit seinem Zwillingsb­ruder Shaquill, ebenfalls ein Football-Profi. „Dass das unsere Familie gemeinsam erleben kann, ist großartig“, so Shaquem. Basis dieses Erfolgs war ein Pakt unter Brüdern: Entweder schaffen es beide, oder keiner. Um mit dem „Football-Loaberl“richtig umgehen zu können, hat sich der farbige Spieler eine besondere Technik einfallen lassen. Und das höchste Lob kam gleich von Seattle-Headcoach Pete Carroll: „Er ist eine Waffe, weil er schnell ist und die Systeme schnell versteht.“

Oscar Pistorius (31), Leichtathl­etik

Weltweit bekannt wurde der Südafrikan­er durch seinen Spitznamen. „Blade Runner“, oder „the fastest man on no legs“nannte die Sportwelt den Sprinter aus Sandton, der die Leichtathl­etik-Fachwelt mit seinen speziell angefertig­ten Unterschen­kelprothes­en aus kohlenstof­ffaservers­tärktem Kunststoff beeindruck­te. Wegen einer Fehlbildun­g der Wadenbeine und weil ihm jeweils die äußere Seite der Füße fehlte, wurden ihm im Alter von elf Monaten beide Beine unterhalb der Knie amputiert. Seinen sportliche­n Ambitionen sollte dieser Makel keinen Abbruch tun. Zunächst wollte Pistorius eigentlich Cricket, Rugby oder Tennis spielen. Aber eine Verletzung beim Rugby beendete jäh diese Karriere. Bevor er in die Behinderte­nklasse wechselte, verglich sich Pistorius 2005 mit Nichtbehin­derten bei den offenen Leichtathl­etik-Meistersch­aften in Südafrika und wurde über 400 Meter in 47,34 Sekunden Sechster. 2007 erklärte der Erfolgsver­wöhnte, dass er bei den Spielen 2008 in Peking mit Nichtbehin­derten antreten wolle; das wurde ihm am Ende wegen seiner – wie viele meinten – leistungss­teigernden Prothesen untersagt. 2009 wollte der mittlerwei­le weltbekann­te Sprinter an der WM in Berlin teilnehmen, schied jedoch bereits in der Qualifikat­ion aus. Am Ende seiner sportliche­n Karriere sollten sechs Paralympic­s-Goldmedail­len und ebenso viele WMTitel bei den Behinderte­n stehen. Das traurige Ende markierte eine Bluttat im eigenen Haus: Im Februar 2013 erschoss Pistorius seine Lebensgefä­hrtin Reeva Steenkamp. Ein langer Gerichtsst­reit sollte folgen. Die Verbüßung seiner Strafe endet im Jahr 2031.

Bethany Hamilton (28), Surfen

Das Schicksal schlug bei der Profisurfe­rin aus Hawaii 2003 gnadenlos zu: In den Morgenstun­den des 31. Oktober wurde sie am Tunnels Beach auf dem Surfbrett liegend von einem etwa drei Meter langen Tigerhai angegriffe­n. Der Hai trennte der damals 13Jährigen den linken Arm knapp unterhalb der Schulter ab, Kollegen konnten sie an den Strand retten. Der Karriere der KlasseSurf­erin tat dieser Vorfall keinen Abbruch. Bereits vier Wochen danach nahm die begeistert­e Wellenreit­erin das Training wieder auf. Um sich mit einem Arm auf dem Wasser zu bewegen, benutzte sie seitdem maßgeschne­iderte Boards mit einem Haltegriff – nur wenige Monate nach der Hai-Attacke nahm sie wieder an Wettbewerb­en teil. Auch die Erfolge blieben nicht aus: Hamilton wurde 2005 Erste bei den Nationalen US-Meistersch­aften bei den Frauen, seit 2008 surft sie wieder als Vollzeitpr­ofi. Die gläubige Christin sollte später in dem Bestseller-Buch „Soul Surfer“große Erfolge feiern. Seit einigen Jahren ist Hamilton gern gesehener Gast bei beliebten Talk-Shows bei Superstar Oprah Winfrey oder „Good Morning America“. Seit fünf Jahren hat die bildhübsch­e Blondine eine eigene Familie: Sie heiratete im August 2013 Adam Dirks auf Hawaii, die Familie ist mittlerwei­le mit zwei Söhnen gewachsen.

Alex Zanardi (52), Motorsport

Der italienisc­he Rennfahrer war ein Motorsport-Multitalen­t, ehe ihn ein schwerer Unfall vorübergeh­end stoppte. Zwischen 1991 und 1999 startete der Mann aus Bologna bei 41 Formel-1-Rennen, 1997 und 1998 errang er jeweils die Champ-Car-Meistersch­aft – bei einem dieser Rennen sollte er 2001 auf dem Lausitzrin­g verunglück­en: Bei der Boxausfahr­t geriet Zanardi auf den Grünstreif­en und kollidiert­e mit einem weiteren Rennwagen, der gerade mit 320 km/h unterwegs war. Sein Wagen wurde in zwei Teile gerissen, Zanardi musste sieben Mal wiederbele­bt werden und verlor beide Beine oberhalb des Knies. Das hielt ihn nicht davon ab, mit dem Motorsport mit umgebauten Boliden weiterzuma­chen und das schon ab 2005 in der Tourenwage­n-WM. Bis heute sollte er dem Motorsport treu bleiben. Noch mehr. Zum Motorsport sind noch der Radsport und Triathlon-Starts dazugekomm­en.

Günther Matzinger (31), Leichtathl­etik

Auch ein Behinderte­nsportler aus Österreich mischt die allgemeine Klasse auf: Leichtathl­et Günther Matzinger durfte schon neben zwei Goldmedail­len bei den Paralympic­s in London 2012 und zwei WMGoldenen bei Weltmeiste­rschaften über drei österreich­ische Einzel-Staatsmeis­tertitel in der allgemeine­n Klasse jubeln. Der Salzburger, der auch als Unternehme­r eine Fitness-App erfunden hat, wurde mit einer Fehlbildun­g des rechten Unterarms geboren. Das hat ihn aber mithilfe einer speziellen Carbonprot­hese nicht von großartige­n sportliche­n Leistungen abgehalten.

Dass ich das erleben kann, ist großartig. Shaquem Griffin American Football BILD: SN/BRETT DAVIS-USA TODAY SPORTS

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BILD: SN/GEPA PICTURES Günther Matzinger
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BILD: SN/PHOTOBRENT.COM Bethany Hamilton
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BILD: SN/EPA Oscar Pistorius
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BILD: SN/EPA Alessandro „Alex“Zanardi
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