Panikmacher führen den Kanzler am Nasenring durch die Arena
Wer den Migrationspakt für gefährlich hält, glaubt wohl auch noch ans Christkind, den Osterhasen und die Zahnfee.
Es macht Angst, wie Panikmacher die reale Politik beeinflussen können. Der US-Präsident führt sich auf, als wäre er gerade zum Vorsitzenden der Vereinigung der Twitter-Lügenbolde gewählt worden. Er schwadroniert von einer „Invasion“, die die USA bedrohe, von kriminellen, mit gefährlichen Krankheiten behafteten Lateinamerikanern, die bald schon an der Grenze zwischen Mexiko und den USA Einlass begehren werden. Gemeint ist ein Häufchen von Honduranern, die der Gewalt, dem Elend und der Hoffnungslosigkeit in ihrem Land entfliehen wollen.
Derzeit dürften sich diese bedauernswerten Menschen rund 3000 Kilometer von der USGrenze entfernt befinden. Sie werden also per pedes das gelobte Land frühestens Anfang des nächsten Jahres erreichen. Die Truppen, die Trump an die Grenze beordert hat, werden sich also noch ziemlich lange dort langweilen.
Ganz ähnlich scheinen auch andere Panikmacher in Europa, aber auch sonst wo in der Welt die Sorge um nationale Integrität auszunutzen. Niemand hätte erwartet, dass die USA unter Trump oder Ungarn unter Viktor Orbán sich dem Migrationspakt der UNO anschließen könnten. Doch dass ausgerechnet Australien und Österreich sich genauso verhalten, verblüfft doch einigermaßen.
Diese vier Länder hätten genau genommen allen Grund, Verständnis für die Bewegung von Völkern zu haben. Die USA und Australien würden in ihrer jetzigen Form gar nicht existieren, hätte es nicht über Jahrhunderte hinweg riesige Migrationswellen gegeben. Abgesehen von ein paar noch existierenden Nachkommen der indigenen Bevölkerung Nordamerikas und Australiens sind alle dort lebenden Menschen Einwanderer oder Nachkommen von Einwanderern. Menschen, denen es gut zu Gesicht stünde, Verständnis für Migranten zu haben – und auch ein schlechtes Gewissen, weil sie die Ureinwohner dieser Länder entweder abgeschlachtet oder brutal unterdrückt haben.
Ungarn hat im vergangenen Jahrhundert selbst den Strom der Migranten wesentlich befeuert. In hellen Scharen sind Menschen aus Ungarn vor politischer Unterdrückung, Gewalt und Hoffnungslosigkeit geflüchtet. Und sie wurden in Westeuropa und jenseits des Atlantiks freundlich aufgenommen. Sind Orbán und Co. so dumm, dass sie das nicht wissen, oder wollen sie es bewusst vergessen?
Österreich ist das Musterbeispiel für eine von Zuwanderern geformte Gesellschaft. Es dürfte nur wenige Österreicher geben, die nicht an irgendeinem Punkt ihrer Ahnenreihe einen Deutschen, Ungarn, Tschechen, Polen, Kroaten, Serben oder Italiener hätten. Wir sind also das Musterbeispiel einer gelungenen Vermischung von Völkern. Warum lässt sich dann der Bundeskanzler von seinem Koalitionspartner am Nasenring durch die Arena der Fremdenfeindlichkeit führen?