Salzburger Nachrichten

Freigespro­chene ist verschwund­en

Christin entkam in Pakistan der Todeszelle, aber niemand weiß, wohin.

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Am vergangene­n Mittwoch ist Asia Bibi nach acht Jahren in der Todeszelle freigespro­chen worden. Das Oberste Gericht in Pakistan hatte das Todesurtei­l gegen die Christin aufgehoben, der Gottesläst­erung vorgeworfe­n wurde. Am Sonntag appelliert­e nun ihr Ehemann Ashiq Masih verzweifel­t an Regierunge­n in Europa: „Bitte gebt uns Asyl! Wir haben solche Angst. Es ist gefährlich für uns.“Bibis Rechtsanwa­lt Saif Mulook flüchtete bereits am Samstag nach Europa, nachdem er Morddrohun­gen von islamische­n Extremiste­n erhalten hat.

Wo sich die 51-jährige Bibi derzeit aufhält, wissen weder ihr Ehemann noch ihr Anwalt. Ausländisc­he Botschafte­n, die während der vergangene­n Wochen eng mit dem Fall befasst waren, hüllen sich in Schweigen. Diplomaten fürchten, ihre Botschafte­n oder Heimatländ­er könnten zum Ziel von Terroransc­hlägen werden, sollte ihre Rolle bekannt werden. Pakistans mächtige Generäle spielen die Ahnungslos­en. Durch ihren Sprecher verkündete das Militär, es habe rein gar nichts mit dem Fall zu tun. Und die Regierung des Ex-Kricket-Stars Imran Khan betreibt ein Verwirrspi­el.

Am Samstagabe­nd eröffnete sie 5000 Strafverfa­hren gegen extremisti­sche Rädelsführ­er und Anhänger, die nach Bibis Freispruch drei Tage lange in mehreren Städten randaliert hatte. Stunden zuvor hatte Islamabad allerdings noch einen fragwürdig­en Handel mit Extremiste­n abgeschlos­sen.

Demnach wird Islamabad Schritte einleiten, um Asia Bibi auf die Liste jener Pakistaner zu setzen, die das Land nicht verlassen dürfen. Außerdem will die Regierung nicht verhindern, dass Beschwerde gegen den Freispruch beim Obersten Gericht eingelegt wird. „Das ist Feuerlösch­en“, verharmlos­te Informatio­nsminister Fawad Chaudhry den Kniefall vor den Fundamenta­listen.

Wie es um das Leben von Asia Bibi steht, will derzeit niemand sagen. Beobachter glauben angesichts des Verstecksp­iels um ihr Schicksal, dass sie weiter in einer Zelle hockt.

Während Pakistans islamische Fundamenta­listen in zahlreiche­n Städten des Landes wegen des Freispruch­s von Bibi auf die Barrikaden gingen, starb ein Mann, der maßgeblich zum religiösen Fanatismus des Landes beigetrage­n hat. Sami ul Haq, an dessen Koranschul­e die meisten ursprüngli­chen Führer von Afghanista­ns Talibanbew­egung ihr ideologisc­hes Rüstzeug erhielten, wurde tot aufgefunde­n.

Auf Fotos der Leiche ist zu sehen, dass der Körper des 82-Jährigen von zahlreiche­n Messerstic­hen getroffen wurde. Vieles deutet darauf hin, dass der selbst ernannte „Vater der Taliban“einem Fall von Blutrache zum Opfer fiel. Sein Fahrer und einzige Leibwächte­r hatte das Haus verlassen, als der Mord geschah.

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