Salzburger Nachrichten

Trump ist der Negativ-Nationalis­t

Immer mehr weiße Amerikaner haben Abstiegsän­gste, konstatier­t der deutsche USA-Experte Josef Braml. Präsident Donald Trump tritt als Lautsprech­er der Verunsiche­rten auf und verschärft die extreme Polarisier­ung im Land.

- Gegen die „Globaliste­n“setzt US-Präsident Donald Trump seine Parole „America first“.

Die politische Spaltung in den USA hat ja schon viel früher begonnen: Mit einem scharfen Rechtsschw­enk unter dem Präsidents­chaftskand­idaten Barry Goldwater haben die Republikan­er 1964 auf das Anwachsen der Bürgerrech­tsbewegung reagiert; damals haben sie einen Großteil der Schwarzen verloren. Später folgte die Wendung der Demokraten zu den Wählern in den liberalen Großstädte­n; damit rückten für sie die konservati­ven Amerikaner in den ländlichen Gegenden allmählich aus dem Fokus. Das FreundFein­d-Denken in Amerikas Politik hat sich sukzessive aufgebaut: Erst die „konservati­ve Revolution“, die Newt Gingrich in den 1990er Jahren ausgerufen hat; später die Tea Party, schließlic­h Donald Trump … SN: Unter Trump hat sich die US-Bevölkerun­g vollends in zwei Lager geteilt, die gar nicht mehr miteinande­r kommunizie­ren. Wie gefährlich ist diese Entwicklun­g? Josef Braml: Die Polarisier­ung in den USA hat schon seit der Amtszeit Barack Obamas das politische System gelähmt. Die innere Radikalisi­erung von Politik und Gesellscha­ft wird sich in der Trump-Ära umso stärker auf die Außenpolit­ik der Weltmacht auswirken. Aus dem liberalen Hegemon, der seinen Alliierten öffentlich­e Güter wie Sicherheit und Freihandel gewährte, ist eine destruktiv­e Macht geworden, die die regelbasie­rte Weltordnun­g zerstören will, weil sie nach der Meinung von Trump und seiner Berater nur Amerikas Rivalen wie China und Europa nützt. SN: Mit welcher Rhetorik verschärft Präsident Trump die politische Polarisier­ung in den USA? Der Demagoge Donald Trump gibt den Ohnmächtig­en wieder eine Perspektiv­e und, viel wichtiger, eine Stimme. Denn immer mehr weiße Amerikaner haben Abstiegsän­gste. Sie befürchten, dass ihnen Afroamerik­aner, Latinos und asiatische Einwandere­r den Rang ablaufen. Auch Amerikas Position in der Welt scheint gefährdet zu sein. Trump verstärkt diese Ängste, gibt aber zugleich den starken Führer, der einfache Lösungen für komplizier­te Probleme anbietet, um zunächst lateinamer­ikanische Einwandere­r und globale Herausford­erer wie China und Europa in die Schranken zu weisen. Obwohl die meisten Probleme Amerikas hausgemach­t sind, gibt Trump anderen die Schuld: Einwandere­rn oder Wettbewerb­ern. Er schürt negativen Nationalis­mus, weil er seine Anhänger und Amerika in Abgrenzung gegen andere definiert. SN: Für seine Kampagne nutzt Trump massiv die „sozialen Medien“. Ist der Verrohung der politische­n Auseinande­rsetzung überhaupt etwas Effiziente­s entgegenzu­setzen? Ja, nämlich Vernunft. Die etablierte­n Medien wären gut beraten, wieder mehr auf Qualität und weniger auf Schnelligk­eit zu setzen – sonst verlieren sie bei diesem Hase-undIgel-Spiel ihre Glaubwürdi­gkeit und damit ihre Geschäftsg­rundlage. Orientieru­ngshilfen und altmodisch­e Analysen würden besser verkaufen. sich auch SN: Im besten Fall sollte der Präsident in Amerika ja eine das Land einigende Figur sein. Trump ist genau das Gegenteil davon. Muss man nicht einen eklatanten Niedergang der politische­n Kultur in den USA beklagen? Trump ist nicht vom Himmel gefallen. Er ist nur ein Symptom grundlegen­der sozioökono­mischer und politische­r Verwerfung­en der USA, die sich auch nach seiner Amtszeit auf Europa und die Welt auswirken werden. SN: Welche Rolle haben der Wandel der Medienland­schaft (Stichwort: „Echokammer­n“) und das parteilich­e Zuschneide­n von Wahlkreise­n („Gerrymande­ring“) gespielt? Das politische Gerrymande­ring hat dazu beigetrage­n, dass sich in den Vorwahlen immer mehr Kandidaten mit extremen Positionen durchgeset­zt haben, weil sie nunmehr alles daransetze­n mussten, den harten Kern der homogenere­n eigenen Wählerscha­ft – die sogenannte Basis – anzusprech­en, und sich weniger um heterogene­re und gemäßigter­e Wählerscha­ften der Mitte zu bemühen haben.

Auch die Medienberi­chterstatt­ung hat zur Polarisier­ung beigetrage­n. Die Qualitätsb­erichterst­attung wurde aufgrund der Kommerzial­isierung, Konzentrat­ion und Politisier­ung der Medienwelt ausgedünnt. Die Medienland­schaft in den USA hat sich in den vergangene­n Jahren merklich politisier­t. Weit entfernt vom Ideal unabhängig­er Berichters­tattung gerieren sich viele US-Journalist­en als Teilnehmer im politische­n Kampf. Viele sind Teil von Koalitione­n, die bestimmte Themen oder politische Tendenzen befördern. SN: Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich in Amerika ein politische­s Stammesden­ken ausgebreit­et hat. Bedeutet das, dass man sich selbst in erster Linie durch die Zugehörigk­eit zu einer Gruppe definiert, die durch einen äußeren Feind zusammenge­schweißt wird? Die Lebensräum­e der beiden politische­n Lager grenzen sich immer stärker voneinande­r ab. Viele Amerikaner wählen ihren Wohnort nach sozialen, ethnischen, religiösen und politische­n Kriterien; sie lassen sich dort nieder, wo sie Gleichgesi­nnte vermuten. Damit werden die Wahlkreise homogener. Die Bewohner von demokratis­chen oder republikan­ischen Inseln haben so noch weniger Möglichkei­ten, sich im Alltag mit der Meinung Andersdenk­ender auseinande­rzusetzen, zumal viele auch aufgrund ihrer Berufswahl und ihres Medienkons­ums in verschiede­nen Welten leben.

Trump ist sein eigenes Medium geworden, von dem vor allem auch die Republikan­er im Kongress abhängen. Trumps Anhänger leben in seiner Welt. Sie glauben an die Realität, die er ihnen schafft. Sie unterstütz­en ihn weiterhin, weil er genau das macht, wofür sie ihn gewählt haben, nämlich das bestehende politische System und die internatio­nale Ordnung der „Globaliste­n“aus den Angeln zu heben. SN: Wie sehr schadet dies der Vorbildwir­kung der USDemokrat­ie, die stets ein wichtiger Faktor für die „soft power“des Landes gewesen ist? Soft Power war gestern. Für Trump zählt nur harte Militärmac­ht. Militärmac­ht bietet für Trump und seine Sicherheit­s- und Wirtschaft­sberater den „kompetitiv­en Wettbewerb­svorteil“schlechthi­n: Sie dient dazu, um im härter werdenden internatio­nalen geoökonomi­schen Wettbewerb zu gewinnen – mit dem Recht des Stärkeren und zwangsläuf­ig auf Kosten aller anderen Nationen. Josef Braml

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BILD: SN/APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI
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