Philipp Blom ist seiner großen Liebe nachgereist
WIEN. Philipp Blom hat sich vor Langem verliebt. „Drei aufsteigende Töne, das war der Anfang einer Liebesgeschichte“, gesteht der Historiker und Journalist in seinem neuen Buch. Worüber er dabei strich, als er die drei Töne vernahm, war eine Geige. Nach siebzehn Jahren wurde er ihr untreu. Denn ein anderes Instrument hatte ihn gebannt – wegen seines Klanges und seiner Rätsel.
Passen Liebe und Geige zusammen? „Das eigene Instrument ist für jede Musikerin und jeden Musiker der intimste Partner“, versichert Philipp Blom, einst enthusiastischer Geigenstudent, der mangels Erfolg umsatteln musste. Er spielt die Geige nun privat, doch seine Versuche, die Rätsel seiner „intimsten Partnerin“zu ergründen, hat er nun in ein Buch umgemünzt.
Dessen Ich-Bezogenheit erleichtert es zwar, die Erläuterungen emotionell aufzuladen, doch sie versetzt den historischen Schilderungen einen Stich von Selbstgefälligkeit. Trotz des zeitweisen Abgleitens in Betroffenheits journalismus sind die Entdeckungen „auf den Spuren des Auswanderers, der vor gut 300 Jahren meine Geige baute“ebenso vergnüglich wie aufschlussreich zu lesen. Eigentlich hätte Philipp Blom die Suche nach dem höchst versierten, doch neben Kapazundern wie Andrea Amati, Antonio Stradivari oder Jacob Stainer unberühmten Geigenbauer aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bald aufgeben müssen: Er kannte den Namen nicht, er fand keine Dokumente. Doch er ließ nicht locker und holte für die Suche weit aus. So erzählt er in seinem Buch nun hinreißend über die Geschichte des Geigenbaus, insbesondere der oft übersehenen Geschichte des Geigenbaus im Allgäuer Städtchen Füssen. Er schildert den anhaltenden Niedergang infolge von Dreißigjährigem Krieg und Pest, was viele in die Emigration zwang. Er zitiert aus damaligen Reisetagebüchern, um uns auszumalen, was ein junger Füssener erlebt haben könnte, als er über die Alpen wanderte, um in Italien eine Lehre anzutreten. Er erzählt von damaligen Exilnetzwerken und von den vielen europäischen Emigranten: „Europa war voller Menschen, die ein besseres Leben anderswo suchten.“