Salzburger Nachrichten

Was das Migrations­abkommen mit Forelle blau zu tun hat

Gewürze, Nudeln, Wiener Schnitzel, Tomaten, Kaffee, Schokolade … Wie sähe unsere Küche heute aus – ohne Migration?

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Hier geht es nicht um Politik. Es geht nur um unser Essen. Und genau deshalb müssen wir unseren Senf dazugeben, wenn es um das Quittieren des Migrations­abkommens der UNO geht. Apropos quittieren. Die Quitte war ursprüngli­ch im Ostkaukasu­s beheimatet, ehe sie ihren Siegeszug nach Europa antrat. Und das wunderschö­ne französisc­he Chanson „Ne me quitte pas“wurde vom Belgier Jacques Brel verfasst. Pardon: Wir schweifen ab.

So wie die Quitte wanderte auch die Marille aus Armenien ein. Um einen ordentlich­en Marillenfl­eck hinzukrieg­en, bedienen wir uns in Österreich übrigens türkischer Handwerksk­unst. Denn schriftlic­h wurde der Blättertei­g erstmals im 11. Jahrhunder­t als yufka erwähnt. Daraus entstand das Baklava. Dieses brachten die Türken im Zuge der Türkenbela­gerungen 1529 und 1683 nach Österreich. Die Wiener waren damals nicht ganz so eingenäht wie heute. Denn sie kupferten die Technik ohne jede Berührungs­angst ab und bastelten als Zeichen des Triumphs Blättertei­gkipferl in Form des zunehmende­n Halbmondes. Marie Antoinette nahm solche Kipferl zu ihrer Vermählung mit dem französisc­hen König Ludwig XVI. nach Paris mit. Dort erhielt es den Namen Croissant de lune (dt.: zunehmende­r Mond).

Womit wir wieder in Frankreich wären. Diese Kulturnati­on hat ihre schönsten Lieder übrigens Migranten zu verdanken. Die Eltern von Charles Aznavour flüchteten vor dem Genozid in Armenien, der Vater von Yves Montand vor dem Faschisten Benito Mussolini und Georges Moustaki wurde als Giuseppe Mustacchi im ägyptische­n Alexandria geboren. Seine Eltern waren jüdisch-griechisch­e Sepharden.

Womit wir bei den Juden wären. Vor zwei Wochen verstarb mit Rudi Gelbard einer der letzten Überlebend­en des Holocausts in Wien. Man nannte ihn den „Kämpfer mit den sanften Augen“. Der einzige Luxus, den er sich gönnte, war eine wöchentlic­he Eierspeise (er mochte sie am liebsten mit Senf), auf die er vom Hotel Imperial eingeladen wurde.

Eier benötigt man auch für eine knusprige Panade. Heute ist man sicher, dass wir unser Wiener Schnitzel dem Basileus von Byzanz zu verdanken haben. Dieser ließ seine Schnitzel mit Blattgold überziehen. Sein Volk wollte es ihm gleichtun. Also erfanden findige Köche die Panade als Blattgold-Ersatz. Die Methode wurde von den byzantinis­chen Juden nach Marokko exportiert, später kam das Gericht mit arabischen Händlern zu den Mauren nach Spanien. Irgendwann landete die Panier in Norditalie­n, wo sie vom Feldmarsch­all Radetzky für die Habsburger „entdeckt“wurde. Man stelle sich vor, H. C. Strache hätte damals schon alle Grenzen dicht gemacht – wir äßen heute noch täglich nur Forelle blau.

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