Salzburger Nachrichten

Wollte Ministeriu­m verdeckte Ermittler enttarnen?

Nach massiven Widersprüc­hen in den Aussagen steht eine Gegenübers­tellung des BVT-Chefs und des höchsten Innenminis­teriumsbea­mten vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss im Raum.

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Im U-Ausschuss rund um die Geschehnis­se im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) wurde es am Mittwoch eng für den Generalsek­retär im Innenminis­terium, Peter Goldgruber – und damit indirekt auch für dessen Chef, Minister Herbert Kickl (FPÖ). Denn laut der Aussage des BVT-Chefs, Peter Gridling, hat sich Goldgruber nicht nur über Ermittlung­en im rechtsextr­emen Bereich und in der Burschensc­hafterszen­e erkundigt. Gridlings Erinnerung nach hat Goldgruber auch nach Namen von verdeckten Ermittlern gefragt. Der Generalsek­retär hatte dies zuvor in Abrede gestellt. Die Opposition wertete Gridlings Aussage als Beleg für einen Befugnismi­ssbrauch der blauen Ressortspi­tze. Offenbar sei es darum gegangen, den „rechten Rand“zu schützen. Doch nicht nur die Opposition­sfraktione­n wittern Ungereimth­eiten. Auch ÖVP-Fraktionsf­ührer Werner Amon attestiert­e Gridling „hohe Glaubwürdi­gkeit“und ortete eine „Fülle von Widersprüc­hen“. Die SPÖ verlangt eine Gegenübers­tel- lung Goldgruber­s und Gridlings. Politisch motivierte Anfragen über V-Leute scheinen kein Privileg FPÖgeführt­er Ministerie­n zu sein: Auch der Kabinettsc­hef mehrerer ÖVP-Innenminis­ter habe einst ans BVT eine Anfrage zu verdeckten Ermittlern gestellt, sagte Gridling. Der betreffend­e Ex-Kabinettsc­hef dementiert­e dies am Abend.

Seine Suspendier­ung ist längst aufgehoben, die strafrecht­lichen Ermittlung­en gegen ihn sind eingestell­t und er hat grundsätzl­ich als Direktor des Bundesamts für Verfassung­sschutz (BVT) einen Vertrag bis 2023. Der längstdien­ende Verfassung­sschutzche­f Europas war Peter Gridling schon vor den Vorfällen um die wilde Razzia in seinem Amt. Als Auskunftsp­erson im BVT-U-Ausschuss stellte er sich am Mittwoch massiv hinter seinen seit der Razzia nicht mehr aus den Negativsch­lagzeilen gekommenen Dienst. Das BVT werde zu Unrecht als „gelähmt“oder gar als „Brandruine, auf der man tanzt“, dargestell­t und einen BVT-Skandal gebe es nicht, erklärte Gridling, der ausdrückli­ch das ungebroche­ne Engagement seiner Beamten und deren Leistungen auch in diesem so schwierige­n Jahr hervorhob.

Der mächtigste Beamte des Innenresso­rts, Generalsek­retär Peter Goldgruber, bei dem in der Affäre um die Razzia beim BVT viele Fäden zusammenli­efen, dürfte sich weniger über den Auftritt des Verfassung­sschutzche­fs freuen. Gridling bestätigte, dass Goldgruber Ende Jänner vom BVT Informatio­nen über verdeckte Ermittler im Bereich Rechtsextr­emismus und über Ermittlung­en in der Burschensc­hafterszen­e haben wollte. Auf die Frage, ob Goldgruber Namen der verdeckten Ermittler gefordert habe, erklärte Gridling: „Das ist meine Erinnerung.“ Goldgruber hatte am Vortag vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss noch ausgesagt, „keine konkreten Fragen“zu verdeckten Ermittlern gestellt zu haben.

Aufgrund der Widersprüc­he in den Aussagen der Spitzenbea­mten verlangte die SPÖ eine Gegenübers­tellung zwischen BVT-Direktor und Generalsek­retär im Ausschuss.

Ein spannender Showdown wäre garantiert, zumal die beiden nicht die beste Gesprächsb­asis haben. Als Gridling nach der Razzia zu Goldgruber kam, um über die Vorwürfe gegen die Behörde zu sprechen, erklärte Goldgruber laut Gridlings Aussage vom Mittwoch: „Passen Sie auf, was Sie sagen, weil vielleicht muss ich gegen Sie als Zeuge aussagen – was ich tun würde.“Goldgruber habe auch erklärt, dass Gridling nicht wiederbest­ellt werde, und eine degradiere­nde Versetzung in den Raum gestellt. Auf die Frage, ob er sich von Goldgruber bedroht gefühlt habe, verneinte der BVT-Chef: „Das mit der Drohung ist so, da muss sich jemand auch bedroht fühlen.“

Massive Kritik übte Gridling auch am Vorgehen der Staatsanwa­ltschaft. „Bei etwas mehr Sorgfalt“der Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) hätten die Hausdurchs­uchung und die negative Berichters­tattung „vermieden werden können“. Bei seiner Vernehmung vor der WKStA sei der engste Mitarbeite­r Goldgruber­s im Vorzimmer gesessen. Zu den anfänglich­en strafrecht­lichen Vorwürfen gegen ihn, Daten nicht gelöscht zu haben, sagte Gridling, sie seien „Unsinn“. Daten, die er gar nicht gehabt habe, hätte er auch nicht löschen können. Und die ihn laut Staatsanwa­ltschaft belastende­n Zeugen? „Über die Qualität der Zeugenauss­agen muss man angesichts der Auftritte vor dem Ausschuss nichts mehr sagen.“

Der BVT-Chef räumte ein, dass es nach der Razzia Irritation­en im Ausland gegeben habe. Zu konkreten Auswirkung­en der Affäre auf die so essenziell­e Zusammenar­beit mit internatio­nalen Partnerdie­nsten wollte Gridling nur nach Ausschluss der Medienöffe­ntlichkeit sprechen.schli

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BILD: SN/APA/NEUBAUER BVT-Chef teilte aus.
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