Das Hin und Her beim Bleiberecht
Die Länder stimmten 2014 zu, keine Mitsprache mehr zu haben.
Ein Dreijähriger im Vorarlberger Sulzberg, der mit seinem Vater von der schwangeren Mutter getrennt wird, um abgeschoben zu werden. Ein gut integrierter Lehrling, der abgeschoben wird. Es sind Fälle wie diese, die Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) zu seinem Vorstoß bewogen haben, dass die Bundesländer und Gemeinden künftig wieder Mitsprache beim humanitären Bleiberecht haben sollten. Wie vor 2014. Um Härten bei Abschiebungen zu vermeiden, um bessere Entscheidungen zu treffen.
Ganz so einfach ist die Sache mit dem humanitären Bleiberecht aber nicht, das dann greifen soll, wenn gut Integrierte nach jahrelangem Warten einen negativen Asylbescheid bekommen. Und eigentlich beginnt die Geschichte auch schon lange vor 2014: und zwar im Herbst 2007, als die Debatte um die 15-jährige Arigona Zogaj aus dem Kosovo losbrach. Ihr Untertauchen, um der Abschiebung in die alte Heimat, die sie kaum kannte, zu entgehen, beschäftigte damals ganz Österreich. Alle Asylanträge, die ihre Eltern gestellt hatten, waren über viele Jahre negativ beschieden worden. Schließlich stand – wie bei vielen Kosovaren damals – die Abschiebung bevor. Der Ausweg wäre die Erteilung eines Bleiberechts gewesen, das damals nur vom Innenminister gewährt werden konnte. Der hieß Günther Platter und blieb ebenso hart wie seine Nachfolgerin Maria Fekter. Eine Debatte über das überholte „Gnadenrecht“ging los und führte 2009 zu einer Gesetzesänderung, mit der das Bleiberecht der Zeit angepasst werden sollte: Humanitäre Gründe werden seither bereits im Asylverfahren mitgeprüft, Länder und Gemeinden erhielten ein Mitspracherecht.
Als 2014 die fremden- und asylrechtlichen Kompetenzen zum neu geschaffenen Bundesamt für Asyl und Fremdenrecht wanderten, entfiel das Mitspracherecht – freilich mit Zustimmung der Länder, die hinter vorgehaltener Hand erleichtert waren, diese oft sehr schwierigen Entscheidungen los zu sein. Die Begeisterung über Wallners Vorstoß hält sich bei den anderen Landeshauptleuten in engen Grenzen: Einzig Kärntens Peter Kaiser (SPÖ) unterstützt ihn. Im Vorarlberger Landtag wurde jedenfalls bereits ein Vierparteienantrag eingebracht, der mehr Mitsprache fordert.
Vonseiten der Bundesregierung denkt man aber nicht daran, etwas zu ändern. Der Grund für die Neuregelung 2014 unter Rot-Schwarz sei gewesen, die Asylverfahren in einer Hand zu bündeln, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch. Und vonseiten der FPÖ heißt es, es sei damals „sehr vernünftig“gewesen, den „Fleckerlteppich“aufzulösen.
Wer gut integriert ist, einen Job und Familie in Österreich hat oder in Ausbildung ist, kann Bleiberecht in Österreich erhalten. Die Regelung könnte also grundsätzlich auch bei Asylbewerbern angewendet werden, die eine Lehre machen und gut integriert sind. Sie werden aber sukzessive abgeschoben. Kardinal Schönborn appellierte jüngst, in diesen Fällen öfter humanitäres Bleiberecht zu gewähren.
Heuer (Stand Ende September) wurde rund 1300 Mal Bleiberecht erteilt, in rund 10.000 Fällen wurde negativ beschieden. Vor 2014 gab es im Schnitt rund 1000 positive Entscheidungen pro Jahr, wobei die Zahl der Anträge seither stark gestiegen ist.