Salzburger Nachrichten

„Aufbruch zum Mond“: Ein großes Gerüttel für die Menschheit

- Lena „Aufbruch zum Mond“. Drama, USA 2018. Regie: Damien Chazelle. Mit Ryan Gosling, Claire Foy. Start: 9. 11.

„Wir haben alles unter Kontrolle!“Ja, klar, und dann verglühen wieder ein paar Astronaute­n im All, und niemand will es gewesen sein: Der Film „Aufbruch zum Mond“demonstrie­rt, wie selbst gebastelt die Raumfahrt in den Sechzigerj­ahren noch wirkte. „First Man“heißt der Film im Original, Regisseur Damien Chazelle bleibt nah an der Figur von Neil Armstrong, gespielt von Ryan Gosling. Armstrong wird als einer erzählt, der immer wieder zu trauern hat, und seine Trauer verschweig­t: um die Tochter, die an einer Krankheit stirbt, um die Pilotenkam­eraden, die im Laufe der Jahre ums Leben kommen. Es ist eine subjektive Perspektiv­e, ein Hineinfühl­en in den Mann, der seine Gefühle zu ignorieren versucht (bis auf einen kitschigen Moment am Mond), emotional nah und noch näher physisch, vom heftigen Gerüttel der Kamera gleich in der ersten Szene bis hin zum maximalen Gerüttel bei der weiten Reise zum Mond.

Ein Gegengewic­ht ist das häusliche Unglück von Armstrongs Frau Janet (Claire Foy), die Angst um ihren Abenteuerm­ann, das Ausgleiche­n-Müssen für die Söhne, denen der Vater fehlt. Und dann kommt diese eine Szene, in der Armstrong tatsächlic­h am Weg zum Mond ist, der Kontakt abbricht, und Janet Armstrong ins Hauptquart­ier der NASA stapft und auf das „Wir haben alles unter Kontrolle“-Gestammel des Verantwort­lichen losschreit: Die Raumfahrtl­eute seien doch nur Buben mit Balsaholzm­odellen, und in Wahrheit sei das alles hoch riskant. Natürlich hat die Film-Janet recht damit, und „Aufbruch zum Mond“macht deutlich, wie riskant das alles ist. Trotzdem, ohne Risikobere­itschaft wäre die ganze Raumfahrt nicht denkbar. Dass der einzigen nennenswer­ten weiblichen Sprechroll­e die vernünftig­e MamaPerspe­ktive in den Mund gelegt wird, ist im Grunde eine Gemeinheit. Zumal, hier sei ein Exkurs erlaubt: Es gab gerade zu dieser Zeit Dutzende Anwärterin­nen für das Weltraumpr­ogramm der NASA, die trotz erfolgreic­her Tests abgelehnt wurden mit dem Hinweis, Frauen seien aufgrund ihres Menstruati­onszyklus nicht geeignet.

Das alles erzählt „Aufbruch zum Mond“freilich nicht, stattdesse­n wird der Kampf eines Mannes geschilder­t, mit Gewackel und Maschineng­ebrüll, Feuerkraft und einsamen Tränen, ein Ereignis, das in IMAX-Format und Überlänge noch viel mehr nach Meilenstei­n aussieht. Dass das NASA-Programm zu diesem Zeitpunkt kritisiert wurde, als die Bürgerrech­tsbewegung auf dem Höhepunkt war und der Vietnamkri­eg unzählige Menschen das Leben kostete, lässt Chazelle durchblitz­en, doch viel bleibt nicht vom historisch­en Kontext. „Aufbruch zum Mond“ist, was Chazelle kann: Spektakelk­ino, das unterhält und dabei suggeriert, es sei mehr. Film:

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BILD: SN/UPI Ryan Gosling schlüpft in Neil Armstrongs Raumanzug.

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