„Aufbruch zum Mond“: Ein großes Gerüttel für die Menschheit
„Wir haben alles unter Kontrolle!“Ja, klar, und dann verglühen wieder ein paar Astronauten im All, und niemand will es gewesen sein: Der Film „Aufbruch zum Mond“demonstriert, wie selbst gebastelt die Raumfahrt in den Sechzigerjahren noch wirkte. „First Man“heißt der Film im Original, Regisseur Damien Chazelle bleibt nah an der Figur von Neil Armstrong, gespielt von Ryan Gosling. Armstrong wird als einer erzählt, der immer wieder zu trauern hat, und seine Trauer verschweigt: um die Tochter, die an einer Krankheit stirbt, um die Pilotenkameraden, die im Laufe der Jahre ums Leben kommen. Es ist eine subjektive Perspektive, ein Hineinfühlen in den Mann, der seine Gefühle zu ignorieren versucht (bis auf einen kitschigen Moment am Mond), emotional nah und noch näher physisch, vom heftigen Gerüttel der Kamera gleich in der ersten Szene bis hin zum maximalen Gerüttel bei der weiten Reise zum Mond.
Ein Gegengewicht ist das häusliche Unglück von Armstrongs Frau Janet (Claire Foy), die Angst um ihren Abenteuermann, das Ausgleichen-Müssen für die Söhne, denen der Vater fehlt. Und dann kommt diese eine Szene, in der Armstrong tatsächlich am Weg zum Mond ist, der Kontakt abbricht, und Janet Armstrong ins Hauptquartier der NASA stapft und auf das „Wir haben alles unter Kontrolle“-Gestammel des Verantwortlichen losschreit: Die Raumfahrtleute seien doch nur Buben mit Balsaholzmodellen, und in Wahrheit sei das alles hoch riskant. Natürlich hat die Film-Janet recht damit, und „Aufbruch zum Mond“macht deutlich, wie riskant das alles ist. Trotzdem, ohne Risikobereitschaft wäre die ganze Raumfahrt nicht denkbar. Dass der einzigen nennenswerten weiblichen Sprechrolle die vernünftige MamaPerspektive in den Mund gelegt wird, ist im Grunde eine Gemeinheit. Zumal, hier sei ein Exkurs erlaubt: Es gab gerade zu dieser Zeit Dutzende Anwärterinnen für das Weltraumprogramm der NASA, die trotz erfolgreicher Tests abgelehnt wurden mit dem Hinweis, Frauen seien aufgrund ihres Menstruationszyklus nicht geeignet.
Das alles erzählt „Aufbruch zum Mond“freilich nicht, stattdessen wird der Kampf eines Mannes geschildert, mit Gewackel und Maschinengebrüll, Feuerkraft und einsamen Tränen, ein Ereignis, das in IMAX-Format und Überlänge noch viel mehr nach Meilenstein aussieht. Dass das NASA-Programm zu diesem Zeitpunkt kritisiert wurde, als die Bürgerrechtsbewegung auf dem Höhepunkt war und der Vietnamkrieg unzählige Menschen das Leben kostete, lässt Chazelle durchblitzen, doch viel bleibt nicht vom historischen Kontext. „Aufbruch zum Mond“ist, was Chazelle kann: Spektakelkino, das unterhält und dabei suggeriert, es sei mehr. Film: