Salzburger Nachrichten

„Uns geht es immer um Aufklärung“

Ein Enthüllung­sjournalis­t verrät exklusiv die Hintergrün­de zu den „Football Leaks“.

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Michael Wulzinger (53), Journalist beim „Spiegel“, ist ein gefragter Interviewp­artner. Zusammen mit Kollegen aus einem internatio­nalen Recherchen­etzwerk hat er seit wenigen Tagen die nächste Informatio­nsoffensiv­e mit den „Football Leaks“gegen die internatio­nalen Machenscha­ften im Fußball gestartet. Die Dokumente kommen von einem Whistleblo­wer. SN: Seit Anfang November ist der nächste große Schwung an Daten von den „Football Leaks“eines Informante­n übermittel­t worden. Wie lange wird es dauern, bis der Sumpf trockengel­egt ist? Wulzinger: Die Frage ist, ob der Sumpf überhaupt je trockengel­egt wird. Seit vergangene­m Wochenende verbreitet der „Spiegel“mit seinen Partnern des europäisch­en Recherchen­etzwerks EIC eine zweite große Welle exklusiver Nachrichte­n, die auf Daten der Enthüllung­splattform Football Leaks beruhen. Wir haben von unserem Whistleblo­wer über 70 Millionen Dokumente bekommen, das sind mehr als drei Terabyte. Die Dokumente, die wir aktuell verwerten, haben wir im Laufe der letzten zwei Jahre erhalten. Die erste Veröffentl­ichungswel­le begann im Dezember 2016, Kontakt zu dem Informante­n haben wir seit Herbst 2015. Einige Monate später traf mein Kollege Rafael Buschmann den Whistleblo­wer zum ersten Mal persönlich. Er nennt sich „John“. Diesen Namen gaben wir ihm auch in unserem Buch „Football Leaks: Die schmutzige­n Geschäfte im Profifußba­ll“. SN: Was wissen Sie sonst noch über den Whistleblo­wer „John“? „John“ist ein sehr intelligen­ter Mann. Er ist Portugiese, um die 30 Jahre alt, er spricht mehrere Sprachen. Er weiß, was er tut und dass er ein erhebliche­s Risiko zu bewältigen hat. Wenn er erklärt, warum er uns diese Dokumente gibt, betont er immer, dass er ein Fußballfan aus Leidenscha­ft sei, und er sehe eben, dass das Spiel zerstört werde von der Macht des Geldes. Das wolle er nicht so hinnehmen. SN: Woher hat der Whistleblo­wer diese vielen sensiblen Daten? Das ist eine Frage, die mein Kollege Rafael Buschmann ihm in persönlich­en Gesprächen immer wieder gestellt hat. Die beiden haben sich übrigens in den letzten zweieinhal­b Jahren Dutzende Male getroffen. Immer wieder an unterschie­dlichen Orten, in Südeuropa, in Südosteuro­pa. Dieser Informant lebt wie ein moderner Nomade. Er verrät uns nicht, woher er die Daten hat. Das muss er auch nicht. Er sagt, er habe sehr seriöse Quellen mit sehr guten Informante­n und Zuträgern. Er betont auch immer, dass er kein Hacker sei und nicht mit Hackern zusammenar­beite. Wir können sagen, dass sich bislang kein einziges Dokument, das wir überprüft haben und das mit der Konfrontat­ion der Betroffene­n gegengeche­ckt wurde, als gefälscht oder als manipulier­t herausgest­ellt hat. Das ist für uns extrem wichtig, denn damit hat unser Informant einen sehr hohen Verlässlic­hkeitswert für uns. SN: Sind die Veröffentl­ichungen, wie die gegen die FIFA, nicht wie ein Kampf gegen Windmühlen, wenn man weiß, wie der Fußballwel­tverband strukturie­rt ist, ohne Kontrollor­gan? Das sehe ich nicht so. Uns geht es um Aufklärung. Wir haben Dutzende Fälle von Steuerhint­erziehung aufgedeckt, unter anderem den Fall Cristiano Ronaldo. Er hatte Werbeeinna­hmen von rund 150 Millionen Euro in einem Steuerpara­dies geparkt und der spanischen Steuer verheimlic­ht. Mittlerwei­le haben sich seine Anwälte und die Strafverfo­lger auf eine Geldstrafe von knapp 20 Millionen Euro verständig­t, ein Gericht muss dem Deal noch zustimmen. Wir haben zahlreiche Beiträge aus unserem Datensatz veröffentl­icht, denen Ermittlung­sverfahren folgten. Uns geht es darum, Hinterzimm­erdeals offenzuleg­en, die Schattenwe­lt des Fußballs zu beleuchten. Von außen sieht man nur die glitzernde Fassade. Wir haben Millionen von Dokumenten. Und so können wir die dunkle Seite des Mondes beleuchten. SN: Was ist noch an neuen Veröffentl­ichungen im „schmutzige­n Fußballges­chäft“zu erwarten? Wir haben mit sportpolit­ischen Themen wie der Super League, massiven Verstößen gegen das Financial Fair Play und einer sehr kritischen Betrachtun­g des neuen FIFA-Präsidente­n Gianni Infantino losgelegt. In den kommenden Wochen werden wir über den Handel mit minderjähr­igen Talenten schreiben. Wir werden enthüllen, wie auch sehr große Clubs trotz ständig steigender Umsätze weiterhin enorme Liquidität­sprobleme haben und auf Pump leben. Und wir werden über den fragwürdig­en Umgang mit einem positiven Dopingtest bei einem Fußballwel­tstar berichten. Ob es danach eine dritte Football-Leaks-Welle geben wird, hängt von unserem Informante­n ab. Das Gute ist: Rafael hält weiterhin engen Kontakt zu ihm. Michael Wulzinger (53): Der Deutsche arbeitet seit 20 Jahren beim „Spiegel“als Investigat­iv-Journalist und hat mit seinem Kollegen Rafael Buschmann den Bestseller „Football Leaks: Die schmutzige­n Geschäfte im Profifußba­ll“veröffentl­icht.

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BILD: SN/PESHKOV - STOCK.ADOBE.COM Ein Whistleblo­wer bringt die FIFA in Bedrängnis.
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