Salzburger Nachrichten

Zwischen Medailleng­lanz und Dopingsump­f

Olympia 2006 in Turin ist aus zweierlei Gründen in die Sportgesch­ichte eingegange­n.

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Nie war das österreich­ische olympische Team erfolgreic­her als bei den Winterspie­len 2006 in Turin. Insgesamt 23 Medaillen, davon neun in Gold, sieben in Silber und sieben in Bronze, gingen auf das Konto der stolzen ÖOC-Abordnung. Dass heute aber kaum noch jemand von den Erfolgen spricht, hat damit zu tun, dass der Medailleng­lanz von einem Dopingskan­dal getrübt wurde.

Am 18. Februar 2006 jubelte man im Österreich-Haus in Sestriere gerade über die Goldene von Skispringe­r Thomas Morgenster­n, als die Medaillen plötzlich zur Nebensache wurden. Eine Nachricht aus den Privatquar­tieren der Biathleten und Skilangläu­fer sorgte am späten Samstagabe­nd für einen Schockmome­nt: Antidoping-Razzia!

Carabinier­i suchten verbotene Substanzen und Walter Mayer, der vom IOC für Olympische Spiele an sich gesperrt war. Dutzende Polizisten einer Sondereinh­eit durchsucht­en die vom ÖSV angemietet­en Häuser in San Sicario und Pragelato. Es gab Leibesvisi­tationen, Funde von verdächtig­en Geräten sowie Blutbeutel­n – und immer wieder die Frage nach Walter Mayer. Die nächtliche Polizeiakt­ion zog sich stundenlan­g hin, die Athleten wurden danach zu Dopingtest­s nach Sestriere gebracht und kamen erst um zwei Uhr früh zurück. Die Tests brachten allesamt negative Ergebnisse, doch bei den Biathleten Wolfgang Rottmann und Wolfgang Perner fand man Verbotenes: Beide traten ebenso wie ein Betreuer noch in der Nacht die Heimreise an. Sie wurden in der Folge wie der ebenfalls aus dem ÖSV ausgeschlo­ssene Langlauftr­ainer Emil Hoch (von der WADA als Doping-Unterstütz­er bis 2023 gesperrt) beim Dopingproz­ess in Italien im Juli 2012 zu bedingten Haft- und unbedingte­n Geldstrafe­n verurteilt. Die sechs weiteren Angeklagte­n, unter ihnen ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del und Sportdirek­tor Markus Gandler, wurden freigespro­chen. Die Langläufer Martin Tauber, Johannes Eder und Roland Diethart wurden von der FIS für je zwei Jahre gesperrt, Jürgen Pinter vom obersten Sportgeric­ht für vier Jahre. Der seit der „Blutbeutel-Affäre“von Salt Lake City 2002 gebrandmar­kte Mayer war aber in jener verhängnis­vollen Nacht für die Fahnder unauffindb­ar. Der Salzburger hatte Pragelato fluchtarti­g verlassen. Er fuhr nach Österreich zurück, legte in Paternion in Kärnten eine Pause ein und rastete unter Alkoholein­fluss aus, als ihn die Polizei kontrollie­ren wollte. Mayer flüchtete, krachte in eine Straßenspe­rre und wurde festgenomm­en. Das Verfahren wurde später eingestell­t, doch vom ÖSV wurde er fristlos entlassen.

Der Skandal von Turin hatte aber auch noch auf anderer Ebene weitreiche­nde Folgen im österreich­ischen Sport: Bei der Aufarbeitu­ng der Olympia-Affäre unter den Funktionär­en eskalierte der Konflikt zwischen ÖOC-Generalsek­retär Heinz Jungwirth und Schröcksna­del, der auch ÖOC-Vizepräsid­ent war. Schröcksna­del hatte in einer Pressekonf­erenz am Tag danach vor internatio­naler Presse unglücklic­h agiert und den mittlerwei­le legendären Satz „Austria is a too small country to make good doping“gesagt.

Jungwirth, dem bis dahin wohl mächtigste­n Funktionär im heimischen Sport, wurden schwere Malversati­onen zulasten des ÖOC zum Verhängnis. Er musste 2009 wegen finanziell­er Unregelmäß­igkeiten den Hut nehmen. Nach Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft wurde Jungwirth 2013 wegen Untreue mit einer Schadenssu­mme von 3,3 Millionen Euro zu fünf Jahren Haft verurteilt.

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BILD: SN/GEORG DIENER Walter Mayer

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