Salzburger Nachrichten

Von großen Wogen und großer Flaute

Über verblüffen­de Unterschie­de bei der Bewertung von Gesetzesüb­ertretunge­n.

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Selten gehen die emotionale­n Wogen an unseren analogen und virtuellen Stammtisch­en höher als bei Missbrauch im Sozialbere­ich, egal wie marginal er sein mag. Da fordert man die volle Härte des Gesetzes und unsere Regierung segelt gerne auf dieser Empörungsw­elle mit und verspricht laufend Verschärfu­ngen. Auch ich bin selbstvers­tändlich der Meinung, dass Gesetze einzuhalte­n sind, und zwar alle.

Wenn nämlich die Parteien derselben Regierung selbst gegen ein Gesetz verstoßen, indem sie die erlaubten Wahlkampfk­osten um fast 100 Prozent überschrei­ten, stellt der Vizekanzle­r lediglich fest, dass dann halt das Gesetz geändert gehöre. So einfach ist das also. Auch bei den Stammtisch­lern bleiben die Wellen ganz niedrig, obwohl sich jeder nicht völlig naive Bürger ausmalen kann, dass die Großspende­r ihr Geld durch Klientelpo­litik auf die eine oder andere Art mit sattem Bonus vom Staat – also vom Steuerzahl­er – zurückbeko­mmen wollen und werden – oder schon haben.

Die ganz große Entrüstung­sflaute herrscht aber, wenn Aktienanle­ger mit Hilfe von Banken Staaten in Europa um sagenhafte 55 Milliarden Euro betrügen. Das ist so viel Geld, dass man damit Koffer mit jeweils 100.000 Euro füllen und hintereina­nder aufstellen könnte – von Salzburg bis kurz vor Wien. Und die Reaktion? Völlige Windstille bei den notorische­n Empörungsa­krobaten und kein Sterbenswö­rtchen von unserer der EU vorsitzend­en Regierung samt omnipräsen­tem Kanzler mit stromlinie­nförmigen Lösungen für sonst eh alle Probleme dieser Welt.

Was mögen sich die Abkassiere­r dieser Milliarden denken? Wahrschein­lich: Solange sich die Kleinen da unten gegeneinan­der ausspielen lassen, haben wir freie Bahn. Wie traurig und erbärmlich.

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Fritz Messner

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