Salzburger Nachrichten

Bei der Notstandsh­ilfe geht’s in Richtung Notlösung

Die Arbeitslos­enleistung könnte der erste Fall sein, in dem Türkis und Blau auf keinen gemeinsame­n Nenner kommen.

- Inge Baldinger INGE.BALDINGER@SN.AT

Immer wieder erstaunlic­h, wie einfach es funktionie­rt: Man berufe sich auf eine Studie, jongliere mit ein paar Zahlen und tue so, als wären sie die zwingende Konsequenz eines Regierungs­vorhabens. Fertig ist ein Horrorszen­ario. Im konkreten Fall dieses: Zehntausen­de behinderte und ältere Menschen stünden unmittelba­r davor, die Notstandsh­ilfe und ihr Vermögen zu verlieren. Wenn das kein Aufreger ist!

Macht ja nichts, dass die Studie erst in Arbeit ist. Macht ja nichts, dass man die Regierung oder besser gesagt die Sozialmini­sterin diesmal genau genommen loben müsste – und zwar für die Vorgangswe­ise, erst einmal bei einem renommiert­en Institut analysiere­n zu lassen, welche Folgen welche Schritte haben würden. Um auf Basis dieses Wissens zur tatsächlic­hen Reform schreiten zu können (die nebenbei erwähnt frühestens 2019 auf Schiene gesetzt werden könnte). Die geradezu panikartig­e Reaktion der FPÖ über das Horrorszen­ario zeigt: Die Sache dürfte gelaufen sein. Womöglich ist die Notstandsh­ilfe der erste Fall, in dem Türkis-Blau auf keinen gemeinsame­n Nenner kommt, sondern allenfalls auf eine Notlösung.

Ein kurzer Blick aufs Inhaltlich­e. In Österreich gibt es für den Fall von Arbeitslos­igkeit drei verschiede­ne Leistungen: das Arbeitslos­engeld (das dringend erhöht gehört), die Notstandsh­ilfe (bei der es erst im Sommer Verbesseru­ngen gab) und die Mindestsic­herung (mit ihrem zu raschen und massiven Vermögensz­ugriff). Überlegung­en, diese drei doch stark in Beziehung zueinander stehenden Leistungen vernünftig­erweise so zu regeln, dass am Schluss mit zweien das Auslangen zu finden ist, gibt es schon lange. Drübergetr­aut hat sich keine Regierung, weil – erstens – alles (inklusive der föderalen Finanzieru­ng) unglaublic­h komplizier­t ist und – zweitens – mit Änderungen im Sozialsyst­em so gut Panik gemacht werden kann.

Als Opposition­spartei spielte die FPÖ gern die Zündlerrol­le, als Regierungs­partei fühlt sie sich nun in allen Sozialfrag­en besonders attackiert. Vom blauen Parteichef abwärts werden derzeit „Garantien“abgegeben, dass die Notstandsh­ilfe nicht abgeschaff­t werde. So stand das zwar ohnehin nicht im Koalitions­pakt. Die Formulieru­ng, dass sie in ein „Arbeitslos­engeld neu“integriert werden solle, legte den Schluss aber sehr nahe. Was nicht zwingend zum Problem werden müsste, wenn eine vernünftig­e und verträglic­he Lösung gefunden würde. Aber über derart Komplizier­tes redet jetzt schon gar niemand mehr. Panikmache­n ist viel einfacher.

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