Am Ende allein
Nach Horst Seehofers Ankündigung, als CSU-Chef zurückzutreten, wird auch der Ruf nach seinem Rücktritt als Innenminister laut.
BERLIN. Wenn einer auf Zeit spielen kann, dann ist es CSU-Chef Horst Seehofer. In den vergangenen Jahren trieb er gern ein Katzund-Maus-Spiel mit Äußerungen, wann er denn nun als Parteichef oder als Ministerpräsident oder mit beidem aufhören werde. Bisheriger Höhepunkt seines Verwirrspiels war die „Rücktrittvom-Rücktritt“-Nummer im Sommer.
Nun soll es wieder so weit sein. Am Sonntag soll er in einer Sitzung der CSU-Spitze angekündigt haben, im kommenden Jahr von beiden Ämtern zurückzutreten. Am Montag klang das wieder anders, als Seehofer sagte: „Ich bin Innenminister und werde das Amt weiter ausüben.“Auch bestätigte er nur, dass er den Parteivorsitz abgeben wolle.
Mit seiner Salamitaktik tut sich Seehofer keinen Gefallen. Denn es wird immer offensichtlicher, dass er ein Getriebener ist. Vor allem ihm wird das Debakel bei der Landtagswahl in Bayern angekreidet. Zwar hat auch Ministerpräsident Markus Söder seinen Anteil daran. Doch der wird jetzt für den Neuaufbau gebraucht. Für Seehofer macht der Verlust des Parteivorsitzes jedoch alles nur noch schlimmer.
Denn nun wird mit ziemlicher Sicherheit Söder auch noch mit dem Parteivorsitz belohnt. Und der Parteichef entscheidet, wer welchen Posten in der Berliner GroKo erhält. Seehofers Schicksal liegt dann also in den Händen seines einstigen größten Widersachers, den er immer wieder gedemütigt hat. Sollte er sich erneut mit Kanzlerin Angela Merkel anlegen, wird es für diese ein Leichtes sein, ihn zu entlassen. Auf den Rückhalt seiner CSU kann Seehofer nicht mehr bauen.
Bei der SPD gab es ein kaum zu überhörendes Aufatmen über Seehofers Ankündigung. Parteivize Ralf Stegner wertete den Rückzug als positiv: „Dass er Störenfried war in der Koalition seit dem Sommer, das lässt sich nicht bestreiten.“Vielleicht trage der Schritt ja zur Beruhigung bei. FDP, Grüne und Linkspartei hoffen nun, dass Seehofer sich auch aus dem Innenministerium verabschiedet. Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sagte: „Seehofer wird wohl bald auch das Innenministerium räumen müssen, ebenso wie Merkel in einem Jahr vermutlich nicht mehr Kanzlerin ist.“FDP-Chef Christian Lindner setzt darauf, „dass die Unionsparteien den Erneuerungsprozess fortsetzen“.
Nicht zuletzt bei der CDU dürften viele aufatmen, auch wenn das die wenigsten laut sagen werden. Unvergessen ist der heftige Streit um die Flüchtlingspolitik zwischen Merkel und Seehofer, der fast zum Bruch der Unionsfraktion geführt hätte. Hinzu kommt sein für viele nicht nachvollziehbares Eintreten für den inzwischen entlassenen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen.
Seehofers Tage im Innenministerium dürften gezählt sein. Das Ressort, das er durch Ausweitung um den Bereich Heimat zur Mammutbehörde aufgebläht hat, ist sowieso alles andere als begeistert von seinem Chef. Seehofer gilt allgemein als überfordert. Als möglicher Nachfolger wird der bayerische Innenminister Joachim Herrmann genannt.