Dominosteine in der Altenpflege
Die nette Verkäuferin im Käsereiladen im Innviertel bedient mit viel Verständnis die alte schon etwas verwirrte Dame. Ihre Chefin schätzt sie als sehr tüchtige und kompetente Kraft, eine Perle. Ihre Fähigkeiten hat sie in der Altenpflege entwickelt, bis es ihr reichte. Sie hatte die ständige Überforderung und den Druck satt. In der Ausbildung, die je nach Bundesland ein bis zwei Jahre dauert, hat sie sich einen Schatz an Wissen angeeignet. Voll gefüllt mit guten Ideen und Fachwissen konnte sie all das im Arbeitsalltag nicht umsetzten. Die Kostenrechner und Absicherer schwingen den Rotstift. Kürzen, drücken Aufgaben wie Putzen und Kochen, überzogene Hygiene in die Pflege. Die Dokumentation hängt wie ein Damoklesschwert über ihr. Wehe, wenn man das Getane nicht richtig aufschreibt und gut formuliert. Es könnte ja die Heimaufsicht oder die Bewohnervertretung kommen und nicht nachvollziehen können, was wie getan wurde.
Der Druck steigt, die Krankenstände werden mehr. Selbstverständlich hilft man, springt ein, es könnte einem ja selbst auch passieren. Und die Bewohner hängen lassen, das geht gar nicht. Freizeitaktivitäten werden abgesagt, die Familie muss Verständnis haben. Eine 60Stunden-Woche ist nichts Neues in der Pflege. Ruhe bewahren, freundlich und ausgeglichen sein, in einem Umfeld, in dem mehr als 70 Prozent der Bewohner dement sind. In diesem Umfeld kann man mit niemandem mehr normal reden. Kein Wunder, dass die Pausenzeit zur Insel der Normalität wird, danach wieder hinaus ins Meer der Verwirrten. Im Käseladen im Innviertel geht die Tür auf. Der Kostenrechner sucht verzweifelt seine demente Mutter – Pflegestufe 2, ohne Chance auf einen Altenheimplatz. Er findet sie gut aufgehoben bei der Fachverkäuferin. Noch einmal alles gut gegangen. Waltraud Pommer