Im Netz sollen die Masken fallen
Wie können heimische Behörden an Nutzerdaten von anonymen Hasspostern kommen? Medienexperten erklären die Tücken des geplanten „digitalen Vermummungsverbots“.
WIEN. Sexuelle Erniedrigung, Gewaltandrohung, Pöbeleien. Hasspostings, Verhetzung: Das sorgt im Internet immer wieder für Aufregung. Nun will die Regierung ein „digitales Vermummungsverbot“, damit die Verfasser ausgeforscht werden können. Das könnte laut Experten schwierig werden.
Die Regierungspläne sind ambitioniert. „In der digitalen Welt kommt es immer wieder zu Demütigungen, die bislang nicht bestraft werden können“, erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach einem Gipfel zum Thema „Hass im Netz“. Die Anonymität des Internets schützt die Täter.
Wie ein solches „digitales Vermummungsverbot“aussehen soll, darüber konnte die Regierungsspitze noch keine Details präsentieren. „Wir stehen erst am Beginn eines Prozesses“, so Kurz, das Thema sei kompliziert. Eine generelle Klarnamenpflicht werde es nicht geben.
Nutzer von Plattformen wie Facebook oder Twitter werden weiterhin unter einem Pseudonym schreiben können. Falls jemand allerdings im Netz das Gesetz überschreitet, sollen die Plattformbetreiber den Behörden die Nutzerdaten übermitteln müssen.
Diese Möglichkeit gibt es schon. Medienanwältin Maria Windhager, die die ehemalige Grünen-Politikerin Sigrid Maurer in einem Hassposting-Prozess vertritt: „Nach dem ECommerce-Gesetz und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs müssen Namen, Adresse und E-Mail-Adresse von Usern bereits jetzt von den Plattformbetreibern herausgegeben werden, wenn eine Rechtsverfolgung gegen den User möglich ist.“Allerdings müssen die Forenbetreiber die Daten der Nutzer weder vollständig sammeln noch auf ihre Korrektheit prüfen. Das führt, wie Windhager sagt, dazu, dass Facebook zwar den Namen eines Hassposters herausgeben muss – der muss aber nicht stimmen. Von den Plattformen nicht herausgegeben werden muss die IPAdresse. Diese wird als eindeutige Identifikationsnummer bei jedem Einstieg ins Internet vergeben, ist aber ohne Stammdaten der Nutzer – richtiger Name, Adresse etc. – wenig hilfreich.
Auch der renommierte Medienanwalt und Verfassungsrichter Michael Rami, der auch FPÖ-Politiker immer wieder in medienrechtlichen Fragen vertritt, gibt sich zurückhaltend zu den Regierungsplänen. Er nennt das Vorhaben nachvollziehbar, aber auch „schwer durchzusetzen.“Denn erst müsse man Internetkonzerne überhaupt einmal dazu bringen, die Daten über ihre Nutzer zu speichern. „Und dann braucht man natürlich eine Sanktionsmöglichkeit, falls diese Daten im Fall des Falles nicht herausgegeben werden. Bei internationalen Internetriesen wird das kaum möglich sein“, erklärt Rami.
Medienanwältin Windhager berichtet von einem Fall, in dem Facebook sich schlicht weigert, die Daten über einen Hassposter herauszugeben. Ihr Fazit: „Wir haben weniger ein Problem mit den Rechtsgrundlagen, sondern eher mit der Rechtsdurchsetzung.“
Kritik kommt auch aus der Expertengruppe, die die Regierung in der Sache berät. IT-Expertin Ingrid Brodnig verweist auf das Beispiel Südkorea, wo eine ähnliche Regelung gescheitert ist. Dort seien am Beginn des „digitalen Vermummungsverbots“die Beschimpfungen zurückgegangen, bald darauf sei der Ton wieder härter geworden. Außerdem hatten Hacker die Daten von 35 Millionen Südkoreanern gestohlen, die von dem Online-Anbieter gespeichert worden waren. Letztlich hob das südkoreanisches Höchstgericht das Gesetz auf.
Internetriesen müssen Angaben nicht prüfen