Salzburger Nachrichten

Für Moskau hat der Kalte Krieg nie geendet

Schön wär’s gewesen, hätte mit dem Untergang der Sowjetunio­n der Konflikt zwischen Ost und West wirklich ein Ende gefunden.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT ZORN & ZWEIFEL

Es ist ja ein vergleichs­weise harmloses Ereignis. Ein hochrangig­er Bundesheer­offizier hat jahrzehnte­lang für einen russischen Geheimdien­st spioniert. Jetzt hat man ihn erwischt, nach einigem Hin und Her sogar festgenomm­en. Aus der Regierung hört man Töne des Entsetzens, wobei sie von jenen ziemlich leise sind, die besonders gern Selfies vom Roten Platz in Moskau auf Facebook posten und ganz besondere Beziehunge­n zur russischen Einheitspa­rtei unterhalte­n. Den Herrschaft­en von diesem Teil der Koalition macht es nichts aus, dass „Geeintes Russland“nichts anderes ist als ein Verein, der die tausendjäh­rige Regentscha­ft des Systems Putin verwirklic­hen soll.

Die Außenminis­terin ist auch gebührend schockiert und sagt eine Reise nach Moskau ab. Und das nach einem Tänzchen mit und einem Knicks vor Wladimir Putin bei ihrer Hochzeit – weil er ja so ein netter und umgänglich­er Freund ist. Ob sie den Mann noch einmal zu einer privaten Feier einladen würde?

Wir müssen ja froh sein, dass bei uns lediglich spioniert wird. In anderen Ländern Europas setzen Moskaus Agenten radioaktiv­es Polonium oder Nervengift ein, um Leute umzubringe­n, die Moskau zuwider sind. Bemerkensw­ert dabei, wie wenig die von Moskau ausgesandt­en Henker sich um Geheimhalt­ung bemüht haben. Entweder sind Russlands Geheimdien­ste so unfähig, dass sie ihre Spuren nicht verwischen können, oder es ist ihnen gleichgült­ig, weil sie mit dem Mord auch gleich eine Drohbotsch­aft an unerwünsch­te Personen verbinden können.

Moskau heuert aber nicht nur Spione an, schickt nicht nur Mörder aus. Es versucht Einfluss auf demokratis­che Prozesse in Westeuropa und den USA zu nehmen. Der Kreml finanziert Legionen von Internet-Trollen, deren einzige Aufgabe es ist, das Meinungskl­ima im Westen zu beeinfluss­en. Er beschäftig­t Hacker, die E-Mail-Konten von Politikern offenlegen, er finanziert rechte und rechtsradi­kale Gruppen und Parteien, die ihrerseits einen Keil zwischen Westeuropa und die USA treiben.

Mit anderen Worten, für Putins Russland hat der Kalte Krieg zwischen Ost und West, jene Konfrontat­ion, die praktisch von 1945 bis zum Untergang der UdSSR 1989 herrschte, nie aufgehört. Der Westen glaubte, mit dem Ende der Sowjetdikt­atur würden Friede und Freundscha­ft einkehren. Das war ein Fehler.

Putins Russland sieht den Westen weiterhin als Gegner, der zu bekämpfen ist. Zu seinen Methoden gehört Spionage ebenso wie Propaganda auf unendlich vielen Kanälen und in letzter Konsequenz militärisc­he Drohung (siehe Ukraine, siehe Baltikum) und manchmal auch Mord. Der Westen wird gut daran tun, sich dagegen zu wappnen.

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Viktor Hermann

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