Für Moskau hat der Kalte Krieg nie geendet
Schön wär’s gewesen, hätte mit dem Untergang der Sowjetunion der Konflikt zwischen Ost und West wirklich ein Ende gefunden.
Es ist ja ein vergleichsweise harmloses Ereignis. Ein hochrangiger Bundesheeroffizier hat jahrzehntelang für einen russischen Geheimdienst spioniert. Jetzt hat man ihn erwischt, nach einigem Hin und Her sogar festgenommen. Aus der Regierung hört man Töne des Entsetzens, wobei sie von jenen ziemlich leise sind, die besonders gern Selfies vom Roten Platz in Moskau auf Facebook posten und ganz besondere Beziehungen zur russischen Einheitspartei unterhalten. Den Herrschaften von diesem Teil der Koalition macht es nichts aus, dass „Geeintes Russland“nichts anderes ist als ein Verein, der die tausendjährige Regentschaft des Systems Putin verwirklichen soll.
Die Außenministerin ist auch gebührend schockiert und sagt eine Reise nach Moskau ab. Und das nach einem Tänzchen mit und einem Knicks vor Wladimir Putin bei ihrer Hochzeit – weil er ja so ein netter und umgänglicher Freund ist. Ob sie den Mann noch einmal zu einer privaten Feier einladen würde?
Wir müssen ja froh sein, dass bei uns lediglich spioniert wird. In anderen Ländern Europas setzen Moskaus Agenten radioaktives Polonium oder Nervengift ein, um Leute umzubringen, die Moskau zuwider sind. Bemerkenswert dabei, wie wenig die von Moskau ausgesandten Henker sich um Geheimhaltung bemüht haben. Entweder sind Russlands Geheimdienste so unfähig, dass sie ihre Spuren nicht verwischen können, oder es ist ihnen gleichgültig, weil sie mit dem Mord auch gleich eine Drohbotschaft an unerwünschte Personen verbinden können.
Moskau heuert aber nicht nur Spione an, schickt nicht nur Mörder aus. Es versucht Einfluss auf demokratische Prozesse in Westeuropa und den USA zu nehmen. Der Kreml finanziert Legionen von Internet-Trollen, deren einzige Aufgabe es ist, das Meinungsklima im Westen zu beeinflussen. Er beschäftigt Hacker, die E-Mail-Konten von Politikern offenlegen, er finanziert rechte und rechtsradikale Gruppen und Parteien, die ihrerseits einen Keil zwischen Westeuropa und die USA treiben.
Mit anderen Worten, für Putins Russland hat der Kalte Krieg zwischen Ost und West, jene Konfrontation, die praktisch von 1945 bis zum Untergang der UdSSR 1989 herrschte, nie aufgehört. Der Westen glaubte, mit dem Ende der Sowjetdiktatur würden Friede und Freundschaft einkehren. Das war ein Fehler.
Putins Russland sieht den Westen weiterhin als Gegner, der zu bekämpfen ist. Zu seinen Methoden gehört Spionage ebenso wie Propaganda auf unendlich vielen Kanälen und in letzter Konsequenz militärische Drohung (siehe Ukraine, siehe Baltikum) und manchmal auch Mord. Der Westen wird gut daran tun, sich dagegen zu wappnen.