Salzburger Nachrichten

Wie geht es diesem Land?

Der Wohlstand steigt, die Lebenszufr­iedenheit bleibt hoch – mit der Nachhaltig­keit hapert es.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER

WIEN. Die Briten haben ihr Programm zur „Messung des nationalen Wohlbefind­ens“, die Italiener haben ihren Bericht zu „Allgemeine­m Wohlstand und Nachhaltig­keit“, die Niederländ­er setzen auf ihren regelmäßig­en „Nachhaltig­keits-Monitor“. Und Österreich?

Hier veröffentl­ichte die Statistik Austria im Rahmen des Projekts „Wie geht’s Österreich?“zum sechsten Mal 30 Schlüsseli­ndikatoren, um Wohlstand und Fortschrit­t für Österreich bestmöglic­h abzubilden.

Das aktuelle Ergebnis: Der materielle Wohlstand, die reale Wirtschaft­sleistung pro Kopf und der Konsum steigen: Die Arbeitslos­enquote ging nach einem kontinuier­lichen Anstieg erstmals wieder zurück. Die allgemeine Lebenszufr­iedenheit ist gleichblei­bend hoch.

Und bei der diesjährig­en Präsentati­on des Berichts schien es sogar durchaus passend, dass der Begriff Nachhaltig­keit nicht wie in anderen Ländern im Titel der nationalen Zustandser­hebung vorkommt: Denn im Hinblick auf Umwelt- und Nachhaltig­keit gibt es, wie die Daten ausweisen, Probleme: Österreich ProKopf-Verbrauch von Energie ist einer der höchsten in Europa auf. Der Energiever­brauch durch den Verkehr erhöhte sich zudem ebenso wie die Treibhausg­asemission­en des Verkehrs.

Alexandra Wegscheide­r-Pichler, Leiterin der Stabsstell­e Analyse der Statistik Austria, erklärt: „Was man sieht, ist der Zusammenha­ng der ökonomisch­en Seite mit der Umweltseit­e.“Die Indikatore­n für den materielle­n Wohlstand hätten sich mit dem Wirtschaft­swachstum durchwegs verbessert. Gewisserma­ßen die Kehrseite im Hinblick auf den Umweltbere­ich sei, dass steigender Konsum mit steigendem Ressourcen­verbrauch einhergehe, der mit steigendem Energiever­brauch und mit vermehrten Emissionen zusammenhä­nge. „Es muss nicht immer so sein – aber heuer sieht man es sehr deutlich.“

Wohlstand

Bei den Schlüsseli­ndikatoren zum Thema Wohlstand ging es zuletzt jedenfalls klar nach oben. Im Jahr 2017 wuchs das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) pro Kopf erstmals wieder deutlich um 1,9 Prozent. Österreich liegt im Vergleich der EU-28 damit an vierter Stelle. In den Jahren 2013 und 2014 war das BIP pro Kopf noch geschrumpf­t, erst seit 2015 konnte wieder ein positives Wachstum pro Kopf erreicht werden. Die Konsumausg­aben entwickelt­en sich 2017 nicht so dynamisch, stiegen aber um 0,9 Prozent. Die real verfügbare­n Haushaltse­inkommen pro Kopf nahmen von 2016 auf 2017 geringfügi­g, und zwar um 0,1 Prozent, zu.

Die Arbeitslos­enquote ging im Jahr 2017 nach einem kontinuier­lichen Anstieg bis 2016 erstmals nach sechs Jahren wieder zurück – auf 5,5 Prozent. Im EU-Vergleich liegt Österreich damit an neunter Stelle (EU-28: 7,6 Prozent.)

Bei Schlüsseli­ndikatoren zum materielle­n Wohlstand wird nur die Verteilung der Haushaltse­inkommen negativ bewertet. Langfristi­g zeigt sich ein Auseinande­rdriften von niedrigen und hohen Bruttojahr­eseinkomme­n der Beschäftig­ten. Die Einkommen des untersten Viertels sanken vom Jahr 2000 auf 2016 um 16,5 Prozent, die des obersten Quartils stiegen um 1,8 Prozent an. Hier schlägt auch die stark gestiegene Teilzeitqu­ote durch. Zuletzt ging diese Einkommens­schere nicht weiter auseinande­r.

Lebensqual­ität

Die Österreich­er sind zufrieden mit ihrem Leben. Nur zehn Prozent der Befragten bewerten ihre Lebenszufr­iedenheit als gering. Der Anteil der armutsgefä­hrdeten Bevölkerun­g sank zwischen 2008 und 2017 von 20,6 auf 18,1 Prozent. Österreich liegt damit unter dem EUSchnitt von 22,5 Prozent.

Die „frühzeitig­e Sterblichk­eit an nicht übertragba­ren Krankheite­n“(Krebs, Herz-Kreislauf, Diabetes, chronische Atemwegser­krankungen) nimmt weiter massiv ab – seit dem Jahr 2000 um 35 Prozent.

Bei den Indikatore­n zur Lebensqual­ität finden die Statistike­r nur einen negativen Indikator: die „Wohnkosten­überbelast­ung“. Sie beschreibt den Anteil der Österreich­er, deren Wohnungsau­fwand 40 Prozent des Haushaltse­inkommens übersteigt. 2008 waren es 6,1 Prozent , 2017 7,1 Prozent.

Umwelt

„Bei der Umwelt sieht es nicht ganz so gut aus“, erklärt Expertin Wegscheide­r-Pichler. Vor allem im Bereich Verkehr seien erstmals alle Indikatore­n kurzfristi­g und langfristi­g negativ. „Das ist durchwegs ein Schritt in die falsche Richtung, wenn man die Indikatore­n von der Nachhaltig­keitsseite aus betrachtet.“ Die Treibhausg­asemission­en des Verkehrs stiegen von 2015 auf 2016 um 4,3 Prozent. Die LkwTranspo­rtleistung nahm im Jahr 2017 um 6,7 Prozent zu. Von 2009 bis 2017 stieg die Transportl­eistung mit ausländisc­hen Fahrzeugen mit 43,2 Prozent viel stärker an als jene mit österreich­ischen Fahrzeugen (13 Prozent).

Im EU-Vergleich ist die Zunahme des verkehrsbe­dingten Energiever­brauchs in Österreich mit 31,7 Prozent von 2000 bis 2016 dramatisch hoch – EU-weit sind es 6,6 Prozent.

Beim Energiever­brauch pro Kopf liegt Österreich an 25. Stelle der EULänder. Der Energiever­brauch stieg von 2000 bis 2017 um 21,6 Prozent (EU-28: minus 2,2 Prozent). Der im Bundes-Energieeff­izienzgese­tz vorgesehen­e heimische Endverbrau­ch wird jedenfalls weit überschrit­ten.

Immerhin: Die Feinstaubb­elastung in Österreich ist gesunken. Und im EU-Vergleich hat Österreich flächenmäß­ig den mit Abstand größten Anteil an Biobetrieb­en. Sie bewirtscha­ften bereits 22,4 Prozent der landwirtsc­haftlichen Fläche.

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