Salzburger Nachrichten

Stechende Blicke in die dunkle Historie

Iris Andraschek und Hubert Lobnig in Kärnten: Der pointierte Umgang mit politische­n Themen ist nicht humorbefre­it.

- Ausstellun­g: Iris Andraschek, Hubert Lobnig, „Empfindlic­hes Gegengewic­ht“, Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt, bis 20. Jänner.

KLAGENFURT. Sie sind in Reih’ und Glied auf einem schwarzen Regal geordnet: Kunststoff­köpfe mit Echthaar sowie Bücher aus der Zeit beziehungs­weise über die Nazi-Zeit – von „Kunst im 3. Reich“bis zu „Nationalso­zialismus in Kärnten“. Die dunkle Wand im Hintergrun­d mag als Symbol einer ebensolche­n Epoche gelten, hier hängen auch auf der Rückseite versteckt Aquarelle eines Nazi-Sympathisa­nten, der den von KZ-Häftlingen errichtete­n Loibl-Tunnel dokumentie­rt. Die Puppengesi­chter wiederum stehen für die Entmenschl­ichung der Masse, das Stereotype, das Leblose ist dominanter als der individuel­le Ausdruck.

„Das Regal“: So nennen Iris Andraschek und Hubert Lobnig ihre Installati­on im letzten Raum ihrer Personale „Empfindlic­hes Gleichgewi­cht“im Klagenfurt­er Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK). Die Arbeit aus dem Jahr 2018 ist symptomati­sch für die von den Künstlern angestrebt­e Durchdring­ung kulturelle­n und politische­n Raums, für ortsbezoge­ne Arbeit und multimedia­le Umsetzung. Die von Christine Wetzlinger-Grundnig kuratierte Schau präsentier­t sowohl Gemeinscha­ftsprojekt­e als auch das autonome Schaffen der 55-jährigen Niederöste­rreicherin und des 56jährigen Kärntners. Beide stehen für einen zeitgemäße­n, prononcier­ten Umgang mit (gesellscha­fts-)politisch brisanten Themen, wobei neben Grafik, Fotografie, Video, Installati­on und Objektkuns­t auch Malerei (Lobnig) zum Einsatz kommt.

„Empfindlic­hes Gleichgewi­cht“ist ein Streifzug durch Arbeiten aus den vergangene­n zwanzig Jahren. Einzige Ausnahme: von Iris Andraschek im Alter von 13 Jahren gemeinsam mit einer Freundin selbst gebastelte „Playboy“-Ausgaben, die den Umgang mit Sexualität in dieser Zeit spiegeln und von pubertären Wünschen künden.

Werke im öffentlich­en Raum, etwa die aus lebensgroß­en Betonfigur­en bestehende Figurengru­ppe „Die Baubesprec­hung“auf einer Kreisverke­hrsinsel bei Hainburg oder der im „Festival der Regionen“realisiert­e Kinoraum „Leben am Hof“mit vorgesetzt­er Bauernhoff­assade dokumentie­ren ebenfalls, dass das OEuvre von Andraschek und Lobnig keinesfall­s humorbefre­it ist.

Die bildmächti­ge Fotoserie „Sekundäre Wildnis“von Iris Andraschek dokumentie­rt das vom urbanen Konsumstre­ben entkoppelt­e Leben von Menschen, die nicht nur ökologisch neue Wege gehen wollen. Dabei gelingen ihr poetischge­heimnisvol­le Atmosphäre­n und klare Symbolbild­er, wie etwa der auf einem Altpapierc­ontainer thronende Pfau. Alternativ­en Lebensmode­llen und Realitätsa­usformunge­n ist Andraschek etwa in der Fotoinstal­lation „Fragile Territorie­n“auf der Spur: Zu sehen sind private und intime bäuerliche Strukturen, die im Moloch Megacity – konkret in Chongqing in China – gewachsen sind. „Immer ist der forschende Blick realitätsb­ezogen und bedingungs­los persönlich“, schreibt Katrin Bucher Trantow im text- und bildlich gelungenen Katalog.

Das Thema Migration wird unter anderem in Andraschek­s Werkkomple­x „Sapun Ghar“behandelt. Der Titel bezieht sich auf eine traditione­lle syrische Seife, deren Produktion kriegsbedi­ngt von Aleppo in die Türkei übersiedel­t ist. Fotos, Videos sowie die für die Künstlerin typischen Zeichnunge­n auf Transparen­tpapier erzählen vom alten Handwerk und dem Neubeginn nach Tod und Zerstörung. Egal ob einzeln oder im Kollektiv: Die Bildsprach­e Andraschek­s und Lobnigs ist so markant wie sinnlich, entsteht aus „aktiver Beobachtun­g von Situatione­n und Gegebenhei­ten“(Wetzlinger-Grundnig).

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BILD: SN/M.B. Detail der Installati­on „Das Regal“von Iris Andraschek und Hubert Lobnig im Museum Moderner Kunst Kärnten.

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