Vom Schlag getroffen
Die Chancen, die Folgen eines Schlaganfalls in engen Grenzen zu halten, werden immer größer. Neurologen des Uniklinikums Salzburg verblüffen mit neuen Erkenntnissen, vor allem was Blutdruck- und Cholesterinwerte betrifft.
SALZBURG. Bei einem Schlaganfall ist rasches Handeln angesagt, um schwere Folgeschäden im Gehirn zu verhindern. Zum einen konnte in Österreich durch spezialisierte Therapiezentren in den Spitälern nicht nur die Sterblichkeitsrate stark gesenkt werden. Die Fortschritte in der Medizin vergrößerten zum anderen auch die Chancen, nach einem Schlaganfall mit möglichst geringen Spätfolgen ins Alltagsleben zurückkehren zu können.
Zu überraschenden Ergebnissen im Kampf gegen besonders große Blutgerinnsel kam nun ein Team aus Neurologen, Radiologen und Neurochirurgen an der Uniklinik Salzburg. Wer hätte gedacht, dass ein höherer Blutdruck, höhere Cholesterinwerte und ein nicht zu stark aktiviertes Immunsystem während des Eingriffs günstig sein könnten? Genau das nämlich hat ein Team um die Neurologen Johann Sellner und Slaven Pikija nun nachweisen können. Grundsätzlich wird der sogenannte ischämische Schlaganfall durch den Verschluss eines oder mehrerer Blutgefäße ausgelöst. Ist das Blutgerinnsel nicht allzu groß, kann es medikamentös aufgelöst werden. Das Zeitfenster, um medizinisch eingreifen zu können, beträgt hier bis zu viereinhalb Stunden nach dem Akutereignis. „Von dieser Therapie profitieren aber nur jene Patienten mit einem kurzstreckigen Gefäßverschluss“, sagt Johann Sellner.
Für größere Gerinnsel, bei denen heute bis zu 16 Stunden nach dem Schlaganfall ein Eingriff noch erfolgversprechend sein kann, greift man heute auf ein sehr aufwendiges Verfahren zurück. Dabei wird von der Leiste aus ein Katheter an die Stelle des Gefäßverschlusses geführt und das Gerinnsel dann herausgezogen oder abgesaugt.
Dachte man früher immer, man müsse den Blutdruck während dieses Eingriffs senken, ist nach den Erkenntnissen der Salzburger Forscher klar: Wenn der Blutdruck fällt, verringert sich auch der Sauerstoffgehalt in den Blutgefäßen, die Gefahr für Schäden vergrößert sich. Johann Sellner betont, dass der Blutdruck bei einem Schlaganfall automatisch höher sei. Beim Eingriff müsse daher darauf geachtet werden, dass er während des Eingriffs nicht abfällt oder medikamentös zu stark gesenkt wird. Auch die zweite Erkenntnis aus der Salzburger Studie überrascht: Ein höherer Cholesterinspiegel ist besser als ein niedriger. Die Erklärung Sellners: Das geschädigte Hirn braucht möglicherweise Cholesterin, dies könnte eine schützende Wirkung ausüben. So konnte auch gezeigt werden, dass ein niedrigerer Cholesterinspiegel im Alter mit einem höheren Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz einhergeht. Allerdings erhöhen die Mediziner nach dem derzeitigen Stand der Forschung die Cholesterinwerte noch nicht auf künstlichem Weg, hierfür sind noch weitere Untersuchungen erforderlich.
„Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass es nicht gut ist, wenn das Immunsystem zu stark aktiviert wird. Die nach dem Schlaganfall auftretende Immunreaktion ist für die sekundäre Schädigung des Gehirns verantwortlich und erhöht das Risiko für Einblutungen“, sagt der Neurologe. Und er erklärt, dass jene Patienten mit einem übermäßig stark aktivierten Immunsystem schlechter abschneiden, infektiöse Komplikationen wie Lungenentzündungen oder Harnwegsinfektionen werden weiter verstärkt.
Sellner verweist auf eine Arbeitsgruppe in Deutschland, die den Patienten bereits vorbeugend Antibiotika gebe, um diese Risikofaktoren zu minimieren. „Wir setzen Antibiotika aber nach wie vor erst ein, wenn es erste Anzeichen von Infektionen gibt.“
Pro Jahr treten in Österreich etwa 25.000 Schlaganfälle auf, sie sind nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs die dritthäufigste Todesursache und Hauptursache für bleibende Behinderungen. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, steigt mit dem Alter. Etwa 80 Prozent der Betroffenen sind älter als 60 Jahre, aber auch bei jungen Erwachsenen und selbst bei Kindern kann es zu Schlaganfällen kommen.
Bluthochdruck, Bewegungsmangel, ungünstige Blutfettwerte, schlechte Ernährung, psychosoziale Faktoren, Alkohol, Herzerkrankungen und Diabetes mellitus: Das sind die wichtigsten Risikofaktoren, die für den Großteil aller Schlaganfälle verantwortlich sind.
Dank der guten medizinischen Versorgung in Österreich überstehen rund 60 Prozent der Patienten den Schlaganfall mit sehr wenig Beeinträchtigung. Ein Drittel der Überlebenden ist aber dauerhaft beeinträchtigt oder ein Pflegefall.
„Cholesterin wirkt gegen Alzheimer.“Johann Sellner, Neurologe