Salzburger Nachrichten

Der kreative Blitz hinter „Spider-Man“

Stan Lee war Herz und Seele des Comicverla­gs Marvel und erfand einen Superhelde­n nach dem anderen.

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SALZBURG. Es war während des Zweiten Weltkriegs, der Blütezeit für Superhelde­n der Comicszene. Der Marvel-Verlag hatte spät, aber doch begonnen, sich auf gezeichnet­e Geschichte­n zu konzentrie­ren. Als kreative Zugpferde dienten Jack Kirby und Joe Simon, denen ein gewisser Stan Lee, Sohn rumänische­r Einwandere­r, zuarbeitet­e.

Als Kirby und Simon später zur Konkurrenz, dem DC-Verlag, wechselten, stand Marvel vor dem Ruin. Doch Mitte der 1960er-Jahre vermochte ausgerechn­et ihr Assistent der frühen Jahre, Stan Lee, das Steuer herumzurei­ßen. Inzwischen zum Chefredakt­eur aufgestieg­en, zeichnete er mit zahlreiche­n neuen Heldenfigu­ren für einen neuen Aufschwung verantwort­lich.

Fünf und mehr Comicgesch­ichten schrieb der New Yorker Stan Lee in den ersten drei Jahrzehnte­n seiner Zugehörigk­eit zum Marvel-Verlag. Dessen wirtschaft­licher Boom war durch eine von ihm initiierte Änderung des Erzähldukt­us begründet. Denn Lees neue Superhelde­n hatten plötzlich menschlich­e Züge und Schwächen, mit denen sich die Leser und später im Kino auch die Zuschauer identifizi­eren konnten. Lee überwand althergeko­mmene Klischees und Zwänge. So schuf er neue Freiräume für Comicliter­atur im weitesten Sinn. Diese Epoche trägt den Namen „Silver Age“, eine Zeit, die von den dynamische­n zeichneris­chen Fähigkeite­n Jack Kirbys profitiert­e, der von DC-Comics zurückgeke­hrt war.

Zu Stan Lees bekanntest­en Kreationen zählten neben dem epochalen Erfolg des „Spider-Man“, der zunächst übersetzt nur „Spinne“hieß, „Der unglaublic­he Hulk“, „Iron Man“, „Thor“, „X-Men“, „Deadpool“, „Die fantastisc­hen Vier“und „Captain America“. Diese fanden dann sämtlich auch den Weg auf die Kinoleinwa­nd. Dementspre­chend konzentrie­rte sich Lee ab 1981 als Chef der Marvel Production­s vornehmlic­h auf die Produktion von Zeichentri­ckfilmen.

Dem Vorwurf, allzu patriotisc­he Heldengesc­hichten zu erfinden, konnte sich Lee nicht ganz entziehen. Wer heute die immer wieder erscheinen­den betagten originalen Comicfilme betrachtet – vor allem im Gegensatz zu den jüngeren, oft viel differenzi­erteren Realverfil­mungen –, wundert sich über die erstaunlic­h plumpen Schwarz-WeißZeichn­ungen von Handlungen und Charaktere­n, nicht nur bei Marvel, sondern auch bei DCComics. Dorthin verabschie­dete sich Kirby 1970 wieder. Und sogar der Marvel-Entreprene­ur Stan Lee beschritt im Jahr 2000 diesen Weg.

Disney-Konzernche­f Bob Iger sagte im Gedenken an Lee, es sei heute fast unmöglich, einen Ort im Marvel-Universum zu finden, der nicht von Lee geprägt wurde. Am vergangene­n Montag ist Stan Lee, wie gemeldet, im Alter von 95 Jahren in Los Angeles gestorben.

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BILD: SN/AP/MATT SAYLES Comiclegen­de Stan Lee (✝) vor einem Bild seiner Lebenserfi­ndung Spider-Man.

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