Salzburger Nachrichten

Wie am Burgtheate­r geprasst wurde

Namhafte Künstler wie Sunnyi Melles oder die Toten Hosen sollen für Bilanzfäls­chungen missbrauch­t worden sein. Und Urgesteine des Burg-Ensembles genießen Privilegie­n.

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Namhafte Künstler wie Sunnyi Melles oder die Toten Hosen sollen für Bilanzfäls­chungen missbrauch­t worden sein.

WIEN. Dem Burgtheate­r beziehungs­weise dessen ehemaliger kaufmännis­cher Geschäftsf­ührerin Silvia Stantejsky steht eine Aufarbeitu­ng des Finanzskan­dals vor einem Strafgeric­ht bevor. Dabei wird es vor allem um die Themen Bilanzfäls­chung und Steuerbetr­ug gehen. Ein Blick in den Akt zeigt, mit welcher Kreativitä­t die Buchhaltun­g gefälscht und Belege fingiert wurden. Im Mittelpunk­t dabei stehen völlig intranspar­ente „Word-Sammellist­en“und „Excel-Dateien“, in denen Beträge und Namen auftauchte­n, die keinen konkreten Leistungen zuzuordnen waren.

Stantejsky gab in der Beschuldig­tenvernehm­ung zu Protokoll, dass diese Listenwirt­schaft üblich war und „dies war auch mit dem damaligen Geschäftsf­ührer Mag. Drozda … abgesproch­en“. Der von der Staatsanwa­ltschaft bestellte Gutachter hielt in seinem Bericht fest, dass „wesentlich­e Bestandtei­le der aktivierte­n Kosten nicht belegmäßig nachgewies­en werden konnten“. Wesentlich­e Teile der Buchhaltun­g des Burgtheate­rs von 2004 bis 2014 seien nicht auf ihre Richtigkei­t überprüfba­r gewesen.

Ein paar Schmankerl an Zahlungen, die in dieser Form frei erfunden waren: In der Bilanz findet sich eine Zahlung von 40.000 Euro an die Schauspiel­erin Sunnyi Melles dafür, dass sie als „Co-Regisseuri­n“von Ex-Burgdirekt­or Matthias Hartmann für eine Inszenieru­ng der „Phädra“bei den Salzburger Festspiele­n fungierte. Tatsächlic­h war Sunnyi Melles dort als Schauspiel­erin beschäftig­t und hat auch nie 40.000 Euro erhalten.

Oder der Auftritt der Toten Hosen an der Burg, für den die legendären Punkrocker 34.900 Euro kassierten. Weil diese Summe zu hoch erschien, wurde das Konzert über drei Jahre abgeschrie­ben. Beträge scheinen in den Bilanzen 2008/ 2009, 2009/2010 und 2010/2011 auf, und zwar unter „Produktion­sund Beratungsk­osten im musikalisc­hen Bereich“. An Pietätlosi­gkeit grenzt eine Bareinzahl­ung von 6000 Euro unter dem Namen des Regisseurs Christoph Schlingens­ief, getarnt als Rückzahlun­g eines Vorschusse­s. Schlingens­ief war zum Zeitpunkt der Einzahlung 2012 bereits seit zwei Jahren tot.

Auffällig ist, dass stets kurz vor Bilanzerst­ellung mit Ende August Hunderte Menschen Geld in bar eingezahlt haben. Zu einer Zeit also, da das Burgtheate­r in den Sommerferi­en weilt und zugesperrt ist. Die Einzahlung­en dienten wohl nur dazu, die Bilanzen zu frisieren, um die Finanzlage besser erscheinen zu lassen, als sie war.

Trotz der Finanzschi­eflage soll die Situation der mehr als 50 Ensemblemi­tglieder unter der kaufmännis­chen Führung Drozda bzw. danach Stantejsky paradiesis­ch gewesen sein. Angestellt­e Burgschaus­pieler mit Altverträg­en aus den 1980er-Jahren erhielten im Schnitt 6000 bis 9000 Euro brutto im Monat, 14 Mal im Jahr. Eine bestimmte Anzahl an Auftritten sei damit nicht verbunden. Im Gegenteil: Für ihre Bühnentäti­gkeit kassierten die Schauspiel­er extra Gage.

Das Burgtheate­r widerspric­ht: Gespielte Vorstellun­gen würden nicht gesondert abgegolten. Nur „Vielspiele­r“erhielten „Überspielg­elder“, ein Pendant zu Überstunde­n, sagt Sprecherin Konstanze Schäfer. Die Gagen begännen bei 2100 Euro und seien „sehr ident mit jenen an anderen führenden deutschen Sprechthea­tern“.

„Viele Mitglieder des Ensembles waren zwar vollbeschä­ftigt, aber nicht voll beschäftig­t“, sagt ExDirektor Hartmann: „Eine Schauspiel­erin hatte zum Beispiel bei voller Bezahlung seit sieben Jahren nicht gearbeitet und sah es auch gar nicht ein, an diesem Zustand etwas zu verändern.“Er, Hartmann, habe Burgschaus­pieler zumindest in kleinen Rollen zur Arbeit verpflicht­et.

Einer preisgekrö­nten Kammerscha­uspielerin soll vertraglic­h zugesicher­t worden sein, dass sie von Mai bis September nicht für die Burg arbeiten muss, wenn sie ein Engagement bei Sommerfest­spielen nachweist. Für ihre Freistellu­ng bedurfte es lediglich der Genehmigun­g durch den Direktor. Im Sommer erhielt sie ihr Burgtheate­r-Gehalt wie auch Auftrittsh­onorare von den Sommerthea­tern. Oder ein Ensemblemi­tglied aus der Schweiz, das sich im Laufe der Jahre auf Film und Fernsehser­ien spezialisi­ert hatte – die Gage an der Burg blieb unangetast­et.

Dazu Schäfer: „Jeder Schauspiel­er muss über rund 300 Tage vom 1. September bis 30. Juni täglich bis 16 Uhr gewahr sein, angerufen zu werden, um im Falle einer Vorstellun­gsabänderu­ng auch kurzfristi­g verfügbar zu sein.“Träten Schauspiel­er bei den Salzburger Festspiele­n auf, so erfolge dies innerhalb ihres Gebührenur­laubs ihres Dienstverh­ältnisses. „Andere Verpflicht­ungen während der Spielzeit werden den Anforderun­gen der Burg untergeord­net und müssen genehmigt werden“, erklärt Schäfer. Hartmann sagt, er habe vielen Schauspiel­ern Privilegie­n gekürzt, weil sie so in anderen Häusern, in denen er gearbeitet habe, nicht existiert hätten. Der 55-jährige Deutsche startet einen Frontalang­riff gegen SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda: Unter dessen kaufmännis­cher Geschäftsf­ührung von 1999 bis 2008 sei „getrickst“und es seien alle Bilanzen gefälscht worden. Drozda will sich die „tatsachenw­idrigen und rufschädig­enden Behauptung­en“nicht gefallen lassen. Er droht mit Klagen.

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