Migration wieder nüchtern betrachtet
Nach Österreich kommen vor allem Menschen aus anderen europäischen Ländern. Viele werden dringend benötigt.
Drei Jahre nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise ist es an der Zeit, zu einer nüchternen Migrationsdebatte zurückzukehren. In jenem Ausnahmezustand ist ja viel vermischt worden. Die Freiheitlichen haben sich in ihrem Programm zur Nationalratswahl 2017 gegen jegliche Zuwanderung ausgesprochen. Womit Österreich von einem Extrem ins andere gekippt wäre, von offenen Grenzen zu geschlossenen, sozusagen.
Ganz überwunden ist die Krise noch nicht. Im Gegenteil, wie die Debatte über den UNOMigrationspakt zeigt. Etwas mehr Gelassenheit wäre jedoch möglich. Natürlich sind nach wie vor zu viele Flüchtlinge ohne Job. Auf der anderen Seite aber kommen kaum noch welche nach: Die Zahl der Asylerstanträge ist so niedrig wie schon lang nicht mehr. Sie beläuft sich auf rund 900 pro Monat. Gemessen an den Spitzenwerten vom Herbst 2015 ist das überschaubar.
Die Wanderungsbewegungen haben sich alles in allem wieder normalisiert. 2017 sind 140.000 ausländische Staatsbürger zugewandert. 90.000 sind abgewandert. Macht unterm Strich 50.000 mehr in Österreich. Wobei es schwer ist, zu erraten, woher die meisten kommen. Zu sehr wird die Wahrnehmung durch die politische Auseinandersetzung verfälscht.
80 Prozent dieser 50.000 Frauen, Männer und Kinder sind aus einem anderen europäischen Land. Zwei Drittel stammen gar aus dem EU-Raum, womit man gewissermaßen auch von Mitbürgern sprechen könnte. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Rumänen, Deutsche und Ungarn. Von den 20 Prozent Nichteuropäern ist zwar noch immer ein nennenswerter Teil aus Syrien, andere Herkunftsländer sind aber bedeutungslos geworden. Aus Afghanistan sind im vergangenen Jahr zum Beispiel nur um 149 Personen mehr zugezogen, als Österreich verlassen haben. In den Irak gab es überhaupt mehr Abwanderung (um 359).
Das wäre eine gute Gelegenheit, sich wieder der Vorteile zu besinnen, die mit Migration auch einhergehen können: Man denke an die Pflegerinnen aus der Slowakei und Rumänien, ohne die die 24-Stunden-Betreuung zusammenbrechen würde. Oder an Fachkräfte aus aller Welt, auf die erfolgreiche Konzerne angewiesen sind. Gerade hochqualifizierte Ausländer, die oft auch an Universitäten tätig sind, gehen in einer ausschließlich negativ besetzten Migrationsdebatte unter. Umso größer ist dann etwa die Überraschung darüber: Unter allen Nichtösterreichern gibt es zwar viel mehr Leute, die maximal eine Pflichtschule absolviert haben; mit 11,3 Prozent ist unter ihnen aber auch der Anteil der Hochschulabsolventen geringfügig höher als unter Österreichern.