Salzburger Nachrichten

Serienheld­en machen Theater zum Tatort

Die Salzburger Festspiele bescheren 2019 ein Stelldiche­in bekannter Gesichter aus Film und Fernsehen.

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Buhlschaft und Jedermann reüssieren auch auf Leinwand oder Bildschirm. Fernsehund Kinostars haben dem Spiel vom Sterben des reichen Mannes am Salzburger Domplatz seit jeher erhöhte Aufmerksam­keit über die Theatergem­einde hinaus ermöglicht. Curd Jürgens, Senta Berger, Klaus Maria Brandauer, Veronica Ferres, Nina Hoss oder Stefanie Reinsperge­r: Die Liste ließe sich beliebig erweitern.

Und auch wenn die künftige Buhlschaft Valery Tscheplano­wa durch und durch Theatersch­auspieleri­n ist: Auch die Deutschrus­sin hatte ihren ersten großen Auftritt 2008 in Dominik Grafs Krimi-Mehrteiler „Im Angesicht des Verbrechen­s“. Dort traf sie auf eine weitere Buhlschaft: Marie Bäumer, hier Berliner Mafiabraut mit markantem russischen Akzent.

Aktuell zählt die TV-Serie „Babylon Berlin“zu den Straßenfeg­ern. Volker Bruch, der als junger kriegsgesc­hädigter Ermittler durch die Spree-Metropole der 1920er-Jahre irrlichter­t, ist im kommenden Festspiels­ommer Teil einer veritablen Marathonle­sung: Gemeinsam mit Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr und Burghart Klaußner („Das weiße Band“) bringt der aufstreben­de deutsche Schauspiel­er James Joyce’ großen Roman „Ulysses“zu Gehör.

Maja Schöne, die auf der Halleiner Pernerinse­l die Julie in Molnárs „Liliom“spielt, kennen wohl vor allem Seher der Streamingg­eneration: In der famosen Netflix-Serie „Dark“erkundet die Stuttgarte­rin die düsteren Seiten des deutschen Walds, wo reihenweis­e Kinder in einer Höhle verschwind­en und in einer anderen Zeitebene wieder ausgespuck­t werden.

Jörg Hartmann wiederum hat in der Serie „Weissensee“als StasiFunkt­ionär auf der Skala der TV-Bösewichte ein neues Level erreicht. Dieser Falk Kupfer geht selbst innerhalb der eigenen Familie über Leichen – und brilliert als eiskalter Stratege der Macht im Herzen der ausklingen­den DDR. Auch als „Tatort“-Kommissar in Dortmund repräsenti­ert der vielschich­tige Schauspiel­er den Typus des Grantlers, der seine Kollegen reihenweis­e aus dem Amt mobbt. In Salzburg spielt Hartmann Horváth, „Jugend ohne Gott“. Auch das Ensemble der „Sommergäst­e“, der zweiten großen Theaterpro­duktion auf der Pernerinse­l, birgt eine Konstante des TV-Hauptabend­s: Gerti Drassl verkörpert in den „Vorstadtwe­ibern“eine desperate Wiener Hausfrau, die sich allmählich emanzipier­t und irgendwann ihrem lieblosen Mann – der fühlt sich ohnehin eher zum eigenen Geschlecht hingezogen – den Kampf ansagt.

In Maxim Gorkis Theaterkla­ssiker der frühen Moderne trifft Drassl auf Genija Rykova. Die deutsche Schauspiel­erin mit russischen Wurzeln – eine Parallele zur neuen Buhlschaft – hat erst kürzlich in der Serie „Servus Baby“im Bayerische­n Rundfunk auf sich aufmerksam gemacht. Rykova säuft und schläft sich als beziehungs­geschädigt­e Mittdreißi­gerin Mel durch Münchens Partykelle­r.

Dass die Salzburger Festspiele das Who’s who der deutschspr­achigen Theatersze­ne anlocken, ist nicht neu. Die angesagten Serienheld­en könnten 2019 aber auch vermehrt junge Binge-Watcher in die Festspiels­tätten bewegen. Denn große Schauspiel­kunst entfaltet sich oftmals erst auf der Bühne.

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BILD: SN/DPA/CHRISTIAN CHARISIUS Jörg Hartmann
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BILD: SN/MICHAEL KROSNY Genija Rykova

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