„Wenn ich nur mehr Dritter bin, dann ist Platz für etwas Neues“
SN-exklusiv: Vor dem zweiten Versuch eines Saisonstarts spricht Marcel Hirscher über Angst vor der Leere nach der Karriere, was ihn noch antreibt und ob dies seine letzte Saison sein wird.
Mit dem jeweils ersten Saisonslalom für Damen (Samstag) und Herren (Sonntag) geht am kommenden Wochenende im finnischen Levi der Skiweltcup weiter. Für Seriensieger Marcel Hirscher ist es nach der Absage des Rennens in Sölden der eigentliche Saisonstart. Ob es auch der Start in seine letzte Weltcup-Saison ist? Auch das wollten die SN in einem Exklusivinterview von dem Jungvater wissen. SN: Vor der letzten Saison hat es geheißen: Marcel Hirscher fehlt noch der Olympiasieg. Den haben Sie jetzt in doppelter Ausführung in der Tasche. Provokant gefragt: Was treibt Sie jetzt noch an? Hirscher: Geh ich euch schon so auf die Nerven? Nein, Scherz beiseite: Es ist ganz wahrscheinlich das Rennfahrer-Gen, das ich in mir habe. Ich bin noch nicht bereit zum Aufhören, auch wenn ich vielleicht den Peak in meiner Karriere schon hatte. SN: Was würden Sie eigentlich vermissen, wenn Sie jetzt aufhören würden? Da muss ich ein bisschen ausholen. Ich wollte immer schnell Ski fahren, das war mein Ziel, und ich wollte Profi werden. Aber ich habe nie auf der Rechnung gehabt, was es heißt, erfolgreich zu sein – und was es heißt, als Skirennfahrer in Österreich erfolgreich zu sein. Es ist schon ein sehr hoher Preis, den man als Privatperson dafür bezahlt, wenn man nicht mehr ungestört ins Kino gehen kann oder im Restaurant nur im Extrastüberl sitzt. SN: Dann müssen Sie den Skisport sehr lieben, wenn Sie den Preis dafür bezahlen. Das ist definitiv auch so. Andererseits ist das auch etwas, das ich gut kann, wahrscheinlich ist es das Beste, das ich kann. Da wäre es doch schade, wenn man damit aufhörte. SN: Die Frage, die ich Ihnen nicht ersparen kann: Beginnt jetzt Ihre letzte Saison? Antwort: Siehe oben. Solange es für mich passt, dass ich den Preis bezahle, weil ich auf der Strecke so unglaubliche Erlebnisse habe, mache ich weiter. Mein Antrieb sind so Erlebnisse wie heuer beim Riesentorlauf in Adelboden, wenn du über die Kuppe kommst, schon fast liegst und dich mit letzter Kraft ins Ziel rettest und es sich am Ende doch noch zum Sieg ausgeht. Dafür bin ich Skifahrer geworden. SN: Sie haben zuvor gesagt: Wahrscheinlich habe Ihre Karriere schon den Peak gehabt. Ertragen Sie es als Seriensieger überhaupt, irgendwann nur mehr Dritter zu sein? Natürlich will ich nicht um die Plätze drei bis fünf fahren. Aber andererseits: Das wird eines Tages kommen und das wird einem die folgende Entscheidung leichter machen. Wenn ich eines Tages nur mehr Dritter bin, dann ist definitiv die Zeit für etwas Neues gekommen. SN: Was wird das sein? Das weiß ich so konkret noch nicht, aber ich weiß, dass sich grundlegend nicht viel ändern wird. O. K., ich werde nicht mehr in der Öffentlichkeit stehen, ich werde keine Interviews mehr geben und keine Filmaufnahmen machen, aber der Sport wird immer ein wesentlicher Teil meines Lebens bleiben. Daher kann ich mir vorstellen, dass das auch Teil meiner späteren Arbeit sein wird. SN: Haben Sie manchmal Angst, dass danach die große Leere kommt? Nein, Angst ist das falsche Wort. Aber die Fülle, die jetzt da ist, die hinterlässt zwangsläufig eine Leere, das braucht man nicht schönzureden.
„Diese Fülle hinterlässt eine Leere, das braucht man nicht schönzureden.“Marcel Hirscher, Skifahrer
SN: Hirscher, Svindal, Kristoffersen, Pinturault – seit Jahren dreht sich im Skirennsport alles um dieselben Personen. Wann kommt die neue Generation? Die ist wahrscheinlich schon da und es kann schneller gehen, als alle denken. Wenn ich die jungen Norweger im Training sehe, dann denke ich mir: Hey Jungs, seid ihr eigentlich bescheuert? Da gibt es nur Vollgas in jedem Training, bis an die Grenze. Oder der junge Franzose Clément Noël, der wird in dem Winter ganz schön aufzeigen.