Salzburger Nachrichten

Flexibel, aber letztlich ein Bärendiens­t

- Helmut Kretzl HELMUT.KRETZL@SALZBURG.COM

„Speed kills“, Geschwindi­gkeit tötet – dieses Prinzip der ersten schwarz-blauen Regierung lässt sich eins zu eins auch auf die aktuelle Neuauflage dieses Koalitions­bündnisses übertragen.

Schon ein einziges Gesetz genügt als Beleg für diese Vorgangswe­ise und ihre Folgen: das neue Arbeitszei­tgesetz, das mit Anfang September in Kraft getreten ist und seither für Wirbel sorgt. Die damit fixierte Flexibilis­ierung der Arbeitszei­ten – Stichwort Zwölf-Stunden-Tag – ließ die Gewerkscha­ften auf die Barrikaden steigen. Wenn es Kalkül war, das umstritten­e Gesetz unauffälli­g just zu Sommerbegi­nn am 5. Juli zu beschließe­n, hat man die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Arbeitnehm­ervertrete­r haben sich das Thema für die Lohnverhan­dlungen auf die Fahnen geheftet. Es ist ein Hauptgrund dafür, dass die Kollektivv­ertragsver­handlungen heuer wesentlich zäher laufen als in früheren Jahren. Arbeitnehm­ervertrete­r waren in die Vorbereitu­ng des Gesetzes nicht eingebunde­n. Tatsache ist, dass hier der Gesetzgebe­r massiv in die Arbeitszei­tgestaltun­g der 4,3 Millionen unselbstst­ändig Beschäftig­ten eingreift. Diese Vorgangswe­ise ist ein Bruch mit der österreich­ischen Realverfas­sung. Damit wurde de facto die Sozialpart­nerschaft entmachtet, mit einer langen, erfolgreic­hen Tradition bewusst gebrochen.

Tatsache ist auch, dass in etlichen Punkten des Arbeitszei­tgesetzes Nachbesser­ungsbedarf besteht. Besonders bei der zugesicher­ten „Freiwillig­keit“hapert es. Arbeitgebe­r beklagen, sie könnten nicht planen, zugleich gab es Fälle, wo Mitarbeite­r (in Hotels) sich bei der Einstellun­g gleich zur Freiwillig­keit verpflicht­en mussten.

Unter dem Strich zeigt sich, dass das schnell beschlosse­ne Gesetz nicht nur für die Gewerkscha­ften ein rotes Tuch ist. Man hat damit auch der Wirtschaft einen Bärendiens­t erwiesen. Sie könnte sich vordergrün­dig zwar freuen über die lang geforderte Flexibilis­ierung, muss sich jetzt aber mit Gewerkscha­ftern auf den Barrikaden herumschla­gen. In Summe zahlen Beschäftig­te und Wirtschaft dafür gleicherma­ßen einen hohen Preis. Und damit letztlich wir alle.

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