Flexibel, aber letztlich ein Bärendienst
„Speed kills“, Geschwindigkeit tötet – dieses Prinzip der ersten schwarz-blauen Regierung lässt sich eins zu eins auch auf die aktuelle Neuauflage dieses Koalitionsbündnisses übertragen.
Schon ein einziges Gesetz genügt als Beleg für diese Vorgangsweise und ihre Folgen: das neue Arbeitszeitgesetz, das mit Anfang September in Kraft getreten ist und seither für Wirbel sorgt. Die damit fixierte Flexibilisierung der Arbeitszeiten – Stichwort Zwölf-Stunden-Tag – ließ die Gewerkschaften auf die Barrikaden steigen. Wenn es Kalkül war, das umstrittene Gesetz unauffällig just zu Sommerbeginn am 5. Juli zu beschließen, hat man die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Arbeitnehmervertreter haben sich das Thema für die Lohnverhandlungen auf die Fahnen geheftet. Es ist ein Hauptgrund dafür, dass die Kollektivvertragsverhandlungen heuer wesentlich zäher laufen als in früheren Jahren. Arbeitnehmervertreter waren in die Vorbereitung des Gesetzes nicht eingebunden. Tatsache ist, dass hier der Gesetzgeber massiv in die Arbeitszeitgestaltung der 4,3 Millionen unselbstständig Beschäftigten eingreift. Diese Vorgangsweise ist ein Bruch mit der österreichischen Realverfassung. Damit wurde de facto die Sozialpartnerschaft entmachtet, mit einer langen, erfolgreichen Tradition bewusst gebrochen.
Tatsache ist auch, dass in etlichen Punkten des Arbeitszeitgesetzes Nachbesserungsbedarf besteht. Besonders bei der zugesicherten „Freiwilligkeit“hapert es. Arbeitgeber beklagen, sie könnten nicht planen, zugleich gab es Fälle, wo Mitarbeiter (in Hotels) sich bei der Einstellung gleich zur Freiwilligkeit verpflichten mussten.
Unter dem Strich zeigt sich, dass das schnell beschlossene Gesetz nicht nur für die Gewerkschaften ein rotes Tuch ist. Man hat damit auch der Wirtschaft einen Bärendienst erwiesen. Sie könnte sich vordergründig zwar freuen über die lang geforderte Flexibilisierung, muss sich jetzt aber mit Gewerkschaftern auf den Barrikaden herumschlagen. In Summe zahlen Beschäftigte und Wirtschaft dafür gleichermaßen einen hohen Preis. Und damit letztlich wir alle.