Wird alles wieder gut bei den Grünen?
Wie sich die Grünen im Bund wieder nach oben kämpfen wollen. Warum „die Rettung der Welt auch Spaß machen“kann. Und worum es heute beim grünen Bundeskongress geht.
WIEN. Gäste empfangen in einem Büro mit Blick auf Burgtheater, Ringstraße und Parlament – das war einmal. Heute macht Grünen-Chef Werner Kogler, der die Partei nach dem Rauswurf aus dem Nationalrat übernommen hat, Treffen im Kaffeehaus aus oder kommt zu Interviews in die Redaktionen. Kein Nationalratsklub mehr, keine Parteizentrale, Und insgesamt um rund 130 Mitarbeiter weniger.
Die Bundespartei besteht mittlerweile neben zwei Bundesräten nur noch aus Kogler und drei Beschäftigten (Sekretariat, Presse, Social Media), die in Untermiete bei den Wiener Grünen sitzen. Der Bundessprecher selbst hat gar kein Büro. „Mein Büro ist mein Handy, das Kaffeehaus, das Wirtshaus“, sagt Werner Kogler beim SN-Gespräch in einem Lokal mit Blick auf die Wiener Neubaugasse mitten im 7. Gemeindebezirk – da, wo die Grünen noch wer sind. Heute, Samstag, soll Kogler, bisher nur interimistischer Parteisprecher, zum tatsächlichen Bundessprecher gewählt werden. Und zwar am grünen Bundeskongress, der im Wiener Studio 44 stattfindet, einem schicken Eventlokal, das – Politik ist mitunter ein Glücksspiel – ausgerechnet den Österreichischen Lotterien gehört.
Kogler hegt keinen Zweifel, dass das Comeback der Bundes-Grünen bei der nächsten Nationalratswahl in vier Jahren gelingen wird. „Die Frage ist nur, ob wir als Kleinpartei zurückkehren oder doch mehr gewinnen können“, sagt er, obwohl die Grünen aktuell in Umfragen so gut wie nie über vier Prozent kommen.
Den desperaten Grünen Mut zuzusprechen gehört schließlich zum Job, seit Kogler, gebürtiger Steirer und grünes Urgestein, die Grünen ehrenamtlich nach der Wahlniederlage vom vorigen Oktober führt. Nach dem ersten Schock – die Grünen sackten von 12 auf 3,8 Prozent ab – stand damals vor allem die Sanierung der Parteifinanzen an, die nach zwei Wahlkämpfen (Bundespräsidentschaftund Nationalratswahlkampf) deutlich ins Minus gerutscht waren.
Hinzu kam, dass der Geldhahn von heute auf morgen fast zugedreht wurde: Hatten die Grünen im Vorjahr noch eine jährliche Klubförderung von 3,4 Mill. Euro bekommen, waren es 2018 nur rund 100.000 Euro für ihre zwei Bundesräte und die drei EU-Mandatare.
Doch die Zeit der Sanierung und Konsolidierung sei vorbei, sagt Kogler. Einiges sei in Bewegung gekommen im letzten Jahr und der Zuspruch und das Interesse auch von Nicht-Grün-Mitgliedern sei enorm. Der Tenor sei stets derselbe: dass die Grünen als Oppositionspartei im Parlament in Zeiten von Schwarz-Blau besonders fehlten. „Gerade jetzt, wo wir am notwendigsten gebraucht werden, sind wir nicht dort. Aber wir sind da, auch wenn wir nicht im Nationalrat sitzen“, sagt Kogler. Beim Kongress heute, Samstag, soll jedenfalls eine neue grüne Ära eingeleitet werden. Der Bundesvorstand wird verkleinert, erneuert und verjüngt. Salzburgs grüner Landesgeschäftsführer Rudi Hemetsberger ist mit Geburtsjahr 1977 der Älteste in der Runde. Der 57 Jahre alte Kogler wird als Parteichef bestätigt, gibt sich aber ein Ablaufdatum. Er will bei der EU-Wahl 2019 als Spitzenkandidat antreten, um den Einzug ins EUParlament für die Grünen wieder zu sichern. Dann wird er spätestens in zwei Jahren seinen Platz an der Parteispitze räumen – für jene Person, die die Grünen in die nächste Nationalratswahl führen soll.
Wer das sein wird? Das ist noch offen. Die Suche läuft. Wichtig ist für Kogler, dass der Auftritt der Grünen wieder „lockerer und fröhlicher“wird. Ganz nach dem Motto: „Die Rettung der Welt kann auch Spaß machen.“Da muss sogar ein Zitat herhalten, das Martin Luther zugeschrieben wird: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.“Und inhaltlich? Inhaltlich müssten sich die Grünen künftig auf die zwei großen Themen
„Wir sind da, auch wenn wir nicht im Nationalrat sitzen.“Werner Kogler, Grünen-Chef
konzentrieren, statt sich mit „1000 Minithemen zu beschäftigen“: auf Ökologie und Gerechtigkeit. Und kämpferischer, ja kämpferischer müsse man werden.
Bei Gerechtigkeit geht es laut Kogler ganz stark auch um Geschlechtergerechtigkeit. In der eigenen Partei sind derzeit vor allem Männer präsent: Kogler als Bundessprecher. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der ehemalige Grünen-Chef an der Staatsspitze. Oder der einzige Lichtblick für die Grünen bei den Wahlen in diesem Jahr: Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi. Er ist es auch, der beim Bundeskongress die Eröffnungsrede halten wird.
Pragmatiker durch und durch, fordert auch Willi ein Rückbesinnen auf klassische grüne Themen und plädiert im SN-Gespräch für ein Ende des „moralischen Zeigefingers“. Mit Blick auf Deutschland verweist Willi auch darauf, wie rasch sich das politische Blatt wenden kann: Vor einigen Jahren seien die deutschen Grünen nach Öster- reich gepilgert, um den Erfolg der hiesigen Grünen zu analysieren. Und heute schwämmen die Grünen in Deutschland – zuletzt in Bayern – auf der Erfolgswelle.
Was den Grünen hierzulande nach wie vor haben, ist eine starke Verankerung in den Bundesländern. In Vorarlberg, Tirol und Salzburg regieren sie nach wie vor an der Seite der ÖVP mit – in Salzburg trotz massiver Verluste.
In Wien sitzen die Grünen schon die zweite Legislaturperiode in einer Koalition mit der SPÖ. Ob RotGrün über die nächste Wahl hinaus Bestand hat? Fest steht derzeit nur, dass Maria Vassilakou nicht mehr als Wiener grüne Spitzenkandidatin antreten wird. Über Vassilakous Nachfolge – sie polarisierte als Vizebürgermeisterin wie kaum jemand in der Stadt – entscheiden gerade rund 4000 Menschen per Briefwahl. Grüne Mitglieder und NichtMitglieder. Sie sollen aus den fünf Kandidaten, die sich um Vassilakous Nachfolge bewerben, eine oder einen auswählen. Vassilakous Nachfolger – er wird Ende November feststehen – müsste in Zukunft mit dem neuen Wiener Bürgermeister Michael Ludwig verhandeln, der nicht gerade als Rot-Grün-Fan gilt.
Für Rudi Anschober steht eines fest: „Alles wird gut.“Der grüne Landesrat aus Oberösterreich ist zwar formal Teil der Proporzregierung, faktisch hat er aber wenig zu sagen. Dennoch sorgt er gerade mit seiner Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“österreichweit für Aufsehen, indem er sich für Asylbewerber einsetzt, die eine Lehre machen. So breite Initiativen sollten Schule machen, findet er. „Wir Grüne müssen der Gegenpol zur Politik der Angst sein“, sagt er. Erfolgreich sei grüne Politik dann, wenn sie Mut und Zuversicht vermittle.
„Wir müssen der Gegensatz zu Politik der Angst sein.“Rudi Anschober, grüner Landesrat