Salzburger Nachrichten

„Kurz soll sich nicht mit Vorarlberg anlegen“

Der Kanzler schiebt die Schuld an einem unmenschli­chen Abschiebev­ersuch den Vorarlberg­ern zu. Das Ländle reagiert empört.

- a.k.

Vorarlberg ist ein schwierige­s Pflaster für Bundespoli­tiker. Dies musste nun Bundeskanz­ler Sebastian Kurz erfahren, der sich am Freitag – als er das Bundesland längst in Richtung Brüssel verlassen hatte – kritische Töne der Landespoli­tiker anhören musste. Der in einer Koalition mit der ÖVP befindlich­e grüne Landesrat Johannes Rauch brachte es so auf den Punkt: „Es ist noch keinem Bundeskanz­ler gut bekommen, wenn er sich mit Vorarlberg angelegt hat!“

Was ist geschehen? Kurz war Donnerstag­nachmittag bei einem Bürgerdial­og in Bregenz heftiger Kritik von aufgebrach­ten Vorarlberg­ern ausgesetzt. Die Menschen empörten sich über einen kürzlich angestellt­en Abschiebev­ersuch. Eine gut integriert­e Familie in Sulzberg/Bezirk Bregenz war im Morgengrau­en abgeholt worden, die schwangere Mutter kollabiert­e und musste ins Spital gebracht werden. Daraufhin verfrachte­ten die Beamten den Vater und den dreijährig­en Sohn ohne die Mutter nach Wien. Die Causa hatte österreich­weit Staub aufgewirbe­lt, LH Markus Wallner verlangte ein Mitsprache­recht der Länder bei der Erteilung von humanitäre­m Bleiberech­t.

In einem Interview mit den „Vorarlberg­er Nachrichte­n“, das er nach dem Dialog mit den aufgebrach­ten Bürgern geführt hatte, zeigt sich der Kanzler erbost über die „unfassbare­n“Vorkommnis­se in Sulzberg. Gleichzeit­ig wies er darauf hin, dass es so etwas bisher nur in Vorarlberg gegeben habe. Kurz: „Die Vorarlberg­er Verantwort­lichen haben einen großen Fehler gemacht, der von der Bundesbehö­rde schnell korrigiert wurde“(die Abschiebun­g wurde abgebroche­n, Anm.). Der Fall wäre nicht passiert, „wenn die Vorarlberg­er Verantwort­lichen darauf achten würden, dass Kinder nicht von ihren Müttern getrennt werden“. Kurzum: Der Kanzler suchte die Schuld an der Familienze­rreißung in Vorarlberg und nicht in Wien. Dies, obgleich die Verantwort­ung für die Causa beim Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl lag, also bei einer Bundesbehö­rde.

Während Kurz’ Parteifreu­nd, LH Wallner, schwieg, reagierten die anderen Parteien mit Empörung. „Bundeskanz­ler Kurz kann mit gerechtfer­tigter Kritik offensicht­lich schlecht umgehen“, sagte der grüne Landesrat Rauch, und weiter: „Es dürfte dem Kanzler bekannt sein, dass die Vollzugspr­axis bei Einvernahm­en im Asylverfah­ren und bei Abschiebun­gen von der Bundesregi­erung bzw. vom Innenminis­terium vorgegeben wird.“

SPÖ-Nationalra­t Reinhold Einwallner bezeichnet­e die Schuldzuwe­isungen Kurz’ als „inakzeptab­el“. Neos-Nationalra­t Gerald Loacker attestiert­e dem Bundeskanz­ler mangelnde Reife.

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BILD: SN/APA Schwierige­s Verhältnis: Kurz und das Ländle.

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