Salzburger Nachrichten

Es war Völkermord in Kambodscha

Späte Gerechtigk­eit für die Opfer der Roten Khmer: Nach 40 Jahren wurden zwei ehemalige Anführer wegen Genozids verurteilt.

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Ein Fünftel der Bevölkerun­g fiel der Schreckens­herrschaft der Roten Khmer in den 1970er-Jahren in Kambodscha zum Opfer. Erst 40 Jahre später sind nun zwei Urteile wegen Völkermord­s ergangen: Der 92-jährige Nuon Chea und der 87-jährige Khieu Samphan sind die einzigen führenden Funktionär­e aus den Reihen von Diktator Pol Pot, die sich für ihre Taten verantwort­en müssen. Wegen Verbrechen gegen die Menschlich­keit verbüßen sie bereits lebenslang­e Haftstrafe­n, am Freitag hat sie das von der UNO unterstütz­te Gericht in Kambodscha auch wegen Völkermord­s verurteilt.

Als sich Samphan am Freitag zur Urteilsver­kündung mühsam von der Anklageban­k erhob, schien sein Blick die gesamte Verachtung zu bündeln, die der frühere Präsident während der Jahre hinter Gittern angesammel­t hat. Der 92-jährige Chea, einst die Nummer zwei der Roten Khmer und rechte Hand von Pol Pot, war zu dem Zeitpunkt aus gesundheit­lichen Gründen bereits in seine Zelle gebracht worden.

Außer den beiden ehemaligen Führungsmi­tgliedern sitzt nur Kaing Guek Eav, der frühere Chef der Folter- und Hinrichtun­gszentrale der Roten Khmer, in lebenslang­er Haft. Diktator Pol Pot starb 1998. Weitere Urteile wird es vermutlich nicht geben. Denn vier Jahrzehnte, nachdem die brutale Herrschaft beendet wurde, schließt das kombiniert­e Gericht von internatio­nalen und kambodscha­nischen Juristen die Aktendecke­l über einem der dunkelsten Kapitel des Kalten Kriegs in Südostasie­n. Und der heutige Premier Hun Sen, ein ehemaliger Funktionär der Roten Khmer, will die Vergangenh­eit ruhen lassen. Er stimmte den Verfahren gegen die ehemalige Führer 2006 nach langem Widerstand zu. Energisch verweigert­e er Verfahren gegen drei weitere Beschuldig­te.

Dass die Verbrechen der Roten Khmer letztlich trotzdem als Völkermord eingestuft wurden, war vielen Menschenre­chtlern wichtig. Damit werde auch der Verfolgung der islamische­n Cham-Minderheit und der Vietnamese­n während der Diktatur Rechnung getragen.

Zuvor waren bereits Tausende in dem Bombenhage­l ums Leben gekommen, den die USA auf Kambodscha niedergehe­n ließen, um Hanois Truppennac­hschub in Südvietnam zu bremsen. Dieser Aspekt kam vor Gericht ebenso wenig zur Sprache wie Chinas Rolle bei der Unterstütz­ung der Roten Khmer.

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BILD: SN/APA/AFP Der 87-jährige Khieu Samphan wurde wegen Völkermord verurteilt.
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