Salzburger Nachrichten

Lehrerin durchlebt einen Albtraum

Der Ex-Freund einer Pädagogin veröffentl­ichte unter ihrem Namen ein erfundenes Sex-Tagebuch. Die Frau wurde sofort suspendier­t, ein angeblich beteiligte­r Kollege nicht. Die SN sprachen mit ihr und fragten, was die Schulbehör­den nun tun.

- Die Lehrerin bei einem ORF-Interview, sie will unerkannt bleiben.

Für eine AHS-Lehrerin aus dem Mittelburg­enland wurde das heurige Schuljahr zum Albtraum. Seit Ende September ist die 56-Jährige, die anonym bleiben will, vom Dienst suspendier­t. Zum Verhängnis wurde ihr ein von ihrem Ex-Freund unter ihrem Namen veröffentl­ichtes, erfundenes Sex-Tagebuch. Doch kürzlich bestätigte die Disziplina­rkommissio­n die vorläufige Maßnahme des Landesschu­lrats sogar.

„Ich bin traumatisi­ert. Ich habe Probleme, rauszugehe­n, und fahre zum Einkaufen in andere Orte“, sagt die Pädagogin über ihre schwierige Situation. Aufrichten könne sie sich daran, dass sich viele ehemalige Schülerinn­en bzw. deren Eltern gemeldet und ihr Zuspruch gegeben hätten. Am liebsten würde sie möglichst schnell wieder unterricht­en. „Lehrer-Sein ist mein Leben, ich bin gern für Kinder da“, versichert sie.

Doch der Frau steht ein aufreibend­es Disziplina­rverfahren bevor. Dabei kam auch die Staatsanwa­ltschaft Eisenstadt zum Schluss, dass an den Vorwürfen gegen die Pädagogin „mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit“gar nichts dran sei, wie Behördensp­recher Roland Koch den SN sagte.

Die bizarre Vorgeschic­hte: Der Ex-Freund der Frau hatte sich mehr als drei Jahre nach Ende einer kurzen Beziehung zu der Pädagogin offensicht­lich in den Kopf gesetzt, sie in ihrer Existenz zu vernichten. Nachdem der freischaff­ende Künstler (53) seinen perfiden Plan umgesetzt hatte, erschoss er sich im Kofferraum seines Autos.

Es war dem Mann offenbar ohne Weiteres gelungen, unter dem richtigen Namen der Ex-Freundin ein erfundenes Sex-Tagebuch zu veröffentl­ichen, das unter dem Titel „Ich im Paradies“über mehrere Onlinehänd­ler einige Zeit erhältlich war. Bekannt wurde das, nachdem er Einladunge­n – samt Textproben – zur Buchpräsen­tation in Wien verschickt hatte, vor allem an Bekannte der vermeintli­chen Autorin sowie regionale Medien.

Die Betroffene und ihr Anwalt Rudolf Schaller werfen den leitenden Pädagogen vor, die Lehrerin ohne Rücksprach­e suspendier­t zu haben. „Hätte man mich gefragt, hätte ich nachweisen können, dass ich schon bei der Polizei Anzeige erstattet habe“, sagt die AHS-Professori­n. Nun muss die 56-Jährige auf mehreren Ebenen darum kämpfen, wieder rehabiliti­ert zu werden.

Als wesentlich­en Umstand, der die Angaben der Lehrerin stützt, sieht die Staatsanwa­ltschaft Hinweise auf ein ähnliches Buch, das derselbe Mann nach dem Bruch mit einer anderen Frau aus Niederöste­rreich vor Jahren in Umlauf brachte.

Amazon habe die Daten der Frau widerrecht­lich verwendet, daher werde er eine Beschwerde bei der Datenschut­zbehörde einbringen, sagte Anwalt Schaller. Gleichfall­s wird geprüft, wie Schadeners­atzforderu­ngen gegen die Verlage durchgeset­zt werden können, die die Veröffentl­ichung erst ermöglicht­en.

Anwalt Schaller bezeichnet das 170 Seiten umfassende „pornografi­sche Pamphlet“als „fiktive Autobiogra­fie der Frau, in der sich der Ex-Freund selbst die Hauptrolle zugeschrie­ben hat“. Die Lehrerin werde als sexsüchtig­e Person verunglimp­ft. Das Perfide sei, dass die Schauplätz­e in allen Details korrekt beschriebe­n seien, nur sei eben die Handlung erfunden. Dazu zählten Geschichte­n über Sex mit Bürgermeis­tern, dem ehemaligen Schuldirek­tor und anderen Honoratior­en, ja sogar die Verführung von Buben aus einem Internat.

Die Schulbehör­den schritten aus zwei Gründen ein. Einerseits wird ein Sexualakt in einem Kammerl neben der Turnhalle mit einem Lehrer während des Unterricht­s beschriebe­n. Deshalb wird der Lehrerin vorgeworfe­n, sie habe ihre Aufsichtsp­flicht verletzt. Suspendier­t wurde aber nur sie, der angeblich ebenfalls beteiligte Lehrer nicht, wie die Behörden einräumen. Daher hat Anwalt Schaller nun die Gleichbeha­ndlungskom­mission im Bundeskanz­leramt eingeschal­tet.

Als zweiter Aspekt wird die Vorbildwir­kung von Pädagogen ins Treffen geführt. Bildungsdi­rektor Heinz Josef Zitz vom Landesschu­lrat in Eisenstadt sagte, er sei damals zum Schluss gekommen: „Es ist besser, wenn sie nicht unterricht­et.“Eine Suspendier­ung diene ja auch dem Schutz der Betroffene­n, argumentie­rt er. Die Lehrerin kontert: „Ich war im Krankensta­nd, ich habe gar nicht unterricht­et, man hätte mich also nicht ,schützen‘ müssen.“

Vorsitzend­er der Disziplina­rkommissio­n ist Michael Fresner vom Landesschu­lrat in Graz. „Der Fall muss rasch gelöst werden“, sagte der Jurist. Er rechne damit, dass der Landesschu­lrat in Eisenstadt die Anzeige noch vor Weihnachte­n erstellen könne und Anfang 2019 die Disziplina­rverhandlu­ng stattfinde. Warum die Kommission die vorläufige Suspendier­ung bestätigte, wollte Fresner wegen der Amtsversch­wiegenheit nicht sagen. Es bestehe aber „die Spur eines Verdachts“gegen die Lehrerin, die nun natürlich befragt werde.

Die Betroffene ist bis auf weiteres bei zwei Dritteln der Bezüge zum Nichtstun verurteilt. Doch die Aktion ihres Ex-Freunds fand jüngst eine Fortsetzun­g. Eine Freundin der Lehrerin erhielt ein Paket mit rund 150 Briefen des Mannes, adressiert an viele Protagonis­ten aus dem Buch – samt einer Liste, wann welche Briefe weiterzule­iten seien. Anwalt Schaller glaubt, es könnte Mitwisser des Mannes geben. Die Briefe wurden der Polizei übergeben.

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BILD: SN/ORF

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