Salzburger Nachrichten

Unglaubwür­dig ist, wer Taten den Reden widersprec­hen lässt

Nach den vielen Ankündigun­gen der Medienpoli­tik geschieht nicht nur nichts, sondern allzu oft das Gegenteil.

- Ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Szenen einer Medienwoch­e:

1. Nach dem Gipfel „Hass im Netz“kündigt die Regierung ein digitales Vermummung­sverbot an und fordert Plattforme­n wie Facebook auf, ihre Verantwort­ung wahrzunehm­en.

2. Der Tiroler Immobilien- und Handels-Milliardär René Benko steigt durch eine Beteiligun­g in Deutschlan­d bei Österreich­s größtem privaten Medienhaus und Zeitungsve­rlag ein.

3. Der Redakteurs­rat des in Fernsehen, Radio und online führenden öffentlich-rechtliche­n Rundfunks warnt: „Dem ORF droht die größte existenzie­lle Krise seit seinem Bestehen.“

Dann hat die FPÖ umgehend gezeigt, wie ernst es ihr mit versöhnlic­hen Tönen via Social Media ist – indem sie ein widerliche­s rassistisc­hes Video erst ins Netz stellte, dies etwas wirken ließ und es dann wieder herausnahm. Ebenso postwenden­d folgten die fast durchwegs fairen Reaktionen aus konkurrier­enden Redaktione­n auf den Investor bei „Krone“und „Kurier“– mit dem einhellige­n Ergebnis: Genaues weiß man nicht. Unterdesse­n verpufft bereits die reflexarti­ge kollegiale Solidaritä­t auf den Hilferuf aus dem ORF – Versuche, ihn zu vereinnahm­en, sind schon zu sehr Teil der traditione­llen nationalen Politfolkl­ore.

Unter ähnlichem Gewöhnungs­effekt leidet das Wehklagen der gesamten Medienbran­che, dass ihr journalist­ischer Sektor infolge der Digitalisi­erung ein Endspiel ficht. Immerhin wird die Medienpoli­tik nicht müde, auf Symposien, Enqueten, Kongressen zu beschwören, welch demokratis­ch unverzicht­bare Rolle die Informatio­n durch herkömmlic­he Zeitungen, Radiound TV-Sender habe. Doch es geschieht nicht nur nichts, sondern das Gegenteil.

Das Dauerfeuer der FPÖ auf die Rundfunkge­bühr hält an und die Neuordnung der Presseförd­erung steht aus. Inzwischen bedienen öf- fentliche Stellen zunehmend jene globalen Giganten, welche die Politik auch im Sinne des Medienstan­dorts Österreich angeblich bändigen will. Laut Transparen­zdatenbank stecken Ministerie­n, Länder, Städte und ihre Unternehme­n immer mehr Geld in Facebook, Google, YouTube und Instagram. Waren es Anfang 2013 noch ein Prozent ihrer gesamten Werbeausga­ben, sind es nun bereits fünf Prozent.

Schaltunge­n in Social Media grundsätzl­ich zu verurteile­n wäre töricht. Doch es muss den Institutio­nen klar sein, dass sie damit auch hoffähig machen, was ihre politische­n Köpfe vorerst regulieren wollen. Diesen wiederum sollte dämmern, dass sie mit einem solchen Widerspruc­h zwischen Reden und Handeln jegliche Glaubwürdi­gkeit verspielen. Peter Plaikner

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Peter Plaikner

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