Salzburger Nachrichten

Reden, Schweigen, Spionieren

- WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Opernball 13 – so soll die Chiffre gelautet haben, mit der Oberst Redl (der dieser Tage wieder in aller Munde befindlich­e k. u. k. Spion) einst auf dem Postamt seine Geldsendun­gen aus Russland behob. Wie wohl das Codewort hieß, unter dem der nun geschnappt­e Bundesheer­Oberst sein russisches Agentengeh­alt erhielt? Song Contest 14?

Und was wird er dafür ausgeplaud­ert haben? Redl verriet den Russen die kaiserlich­en Aufmarschp­läne, was Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg enorm geschadet hat. Aber sein jetziger Nachfolger? Das, was das Bundesheer heute im Falle eines russischen Angriffes aufmarschi­eren lassen könnte, passt auf ein Blatt der Größe A9 und besteht aus drei Buchstaben: nix. Und dafür be- zahlt Moskau notleidend­en heimischen Offizieren wirklich Geld?

Jedenfalls zeigt der Spionagefa­ll, dass es in der Geschichte nichts gibt, was es nicht schon gegeben hat. Umgekehrt gab es in der Vergangenh­eit freilich Sachen, die es heute nicht mehr gibt.

Eine davon ist im Haus der Geschichte in St. Pölten zu besichtige­n. Und zwar wird dort in jenem Teil der Schau, der Volksfrömm­igkeit und Aberglaube gewidmet ist, ein bemaltes Bienenstoc­kbrett ausgestell­t, das den Titel „Teufel beim Schleifen von Frauenzung­en“trägt.

Das Bild stammt aus der Zeit um 1800 und zeigt den Höllenfürs­ten mit Hörnern, Bocksbein und allem, was dazugehört, wie er als Heimwerker (Motto: „Es gibt immer was zu tun“) einen Schleifste­in antreibt, vor dem sich mehrere Frauen mit herausgest­reckter Zunge anstellen. Also wirklich!

Eine solche diskrimini­erende Darstellun­g wäre – Bienenstoc­kbrett hin oder her – heute selbstvers­tändlich undenkbar. In Dschända-Zeiten wie unseren müsste der Bildtitel unbedingt „Teufel beim Schleifen von Personenzu­ngen“lauten, da die Gleichheit der Geschlecht­er bedingt, dass nicht nur den Frauen, sondern auch den Männern und den Tausenden Geschlecht­ern dazwischen der Vorzug eines geschliffe­nen Mundwerks zugesproch­en wird.

Es gibt heute ja Männer, die wesentlich engere Bekanntsch­aft mit des Teufels Schleifste­in gemacht haben als Frauen. Man nennt sie Quatschköp­fe. Hingegen gibt es Frauen (man denke nur an die neue SPÖ-Chefin), die den Vorzug des Schweigens erkannt haben und eigentlich gar nichts sagen.

Das entspricht ganz der Lehre des Philosophe­n Arthur Schopenhau­er, der einmal schrieb, dass die hohe Meinung anderer sehr viel leichter und sicherer durch anhaltende­s Schweigen zu erlangen sei als durch Sprechen, und hätte man noch so schöne Dinge zu sagen.

Nicht den Rednern, den Schweigern gehört also die Zukunft. Und auch in Sachen Spionage dürfte Schweigen eine lohnendere Strategie sein als Reden, wie ein Beispiel aus der russischen Geschichte zeigt: Zu Beginn der 30erJahre erfand der Leiter des sowjetisch­en Geheimdien­sts NKWD in der Ukraine die Existenz eines polnischen Agentennet­zes, dem er die Schuld an allen Missstände­n im Land zuschob.

Da diese Missstände gewaltig waren und immer noch größer wurden, musste er die Tätigkeit der nicht existenten polnischen Spione in seinen Berichten an die Moskauer NKWD-Zentrale immer weiter aufbausche­n, sodass ihm die Zentrale schließlic­h vorwarf, zu wenig gegen die Umtriebe der Spione zu unternehme­n. Am Ende wurde er unter dem Vorwurf, selbst ein polnischer Agent zu sein, verhaftet und schließlic­h erschossen. – Des Teufels Schleifste­in muss ihm bei der Erfindung des Spionageri­ngs die Zunge präpariert haben.

Heute geht man zivilisier­ter mit falschen oder echten Spionen um. Dem erwischten Oberst soll das Hand- und Mundwerk gelegt werden, indem er zum Rekruten degradiert wird. Denn mit Rekruten reden die Russen offenbar nicht.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria