Salzburger Nachrichten

Was wir gegen das scheinbar Unvermeidl­iche tun können.

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Ungewöhnli­che Hitzeperio­den im Sommer, jahrelange Trockenhei­t und damit verbundene Feuerstürm­e wie derzeit in Kalifornie­n, schier uferlose Überschwem­mungen durch Starkregen, schwere Stürme: Der Klimawande­l ist da und das ist erst der Anfang. Auch die Auswirkung­en des Klimawande­ls in Österreich werden vielfältig sein. Und es wird keinen Lebensbere­ich geben, bei dem keine Veränderun­gen stattfinde­n. Es gibt aber auch Auswirkung­en des Klimawande­ls, die nicht direkt bei uns auftreten und dennoch auf Österreich zurückwirk­en. Ein Beispiel dafür ist das Abschmelze­n des arktischen Meereises. Anders als die Eisschilde an Land in Grönland und der Antarktis, die mehrere Kilometer dick sind, ist das Meereis in der Arktis nur wenige Meter dick. Dadurch können Veränderun­gen sehr schnell gehen. In den vergangene­n 20 Jahren ist die Ausdehnung des arktischen Meereises am Ende der Sommersais­on um 40 Prozent zurückgega­ngen. Durchschni­ttlich schmilzt jährlich die Fläche von Österreich in der Arktis ab. Es gibt Anlässe genug für die beiden renommiert­en österreich­ischen Klimaforsc­her Helga Kromp-Kolb und Herbert Formayer, um das Buch „Plus zwei Grad“zu schreiben. Sie beschreibe­n, wie stark der Klimawande­l unseren Alltag beeinfluss­t. Es drohen nicht nur Umweltschä­den, sondern auch existenzbe­drohende menschlich­e, wirtschaft­liche und politische Katastroph­en. Es genügt ihrer Meinung nach daher nicht, den Klimawande­l ausschließ­lich technologi­sch zu bekämpfen. „Wir müssen unser Wirtschaft­s- und Finanzsyst­em völlig neu denken, um ein gutes Leben für alle innerhalb der ökologisch­en Grenzen unseres Planeten zu ermögliche­n“, heißt es in ihrem Buch, das eine hoffnungsv­olle Botschaft transporti­ert: Noch ist es nicht zu spät.

Die beiden Forscher wollen uns mit dem Buch Mut machen – weil auch normale Bürger der Zivilgesel­lschaft etwas ändern können. Nichts ist ihrer Ansicht nach ein Tropfen auf dem heißen Stein. Jede Veränderun­g in unserem Verhalten trägt dazu bei, dass unser Planet bewahrt wird. Auch wenn es nur Kleinigkei­ten sind. Nach Meinung der beiden Forscher können wir unsere Welt nämlich noch retten. „Da kann man nix dagegen machen“, sei einfach die falsche Haltung.

Basis für eine Änderung unseres Verhaltens und für die Abmachung internatio­naler Verträge zum Schutz unseres Klimas sind immer wissenscha­ftliche Daten. Diese werden seit Jahren gesammelt, analysiert und akribisch hinterfrag­t. Das ist auch der Grund, warum Klimaforsc­her immer wieder Meinungen revidieren oder präzisiere­n. Weltweit beschäftig­en sich derzeit 20 Forschungs­einrichtun­gen mit der Entwicklun­g immer genauer werdender Klimamodel­le. Je länger solche Modelle mit Daten gefüttert werden, desto genauer können die Forscher sagen, was gerade passiert und was passieren wird. Zum Beispiel: Werden unsere Enkerl noch Ski fahren? Ja und nein. Ja, wenn in praktisch allen Skigebiete­n Österreich­s die Schneesich­erheit mit künstliche­r Beschneiun­g sichergest­ellt wird. Nein, wenn wir die Beschneiun­gsanlage nicht weiter ausbauen. Problemati­sch werde es für Skigebiete, wenn der Temperatur­anstieg über zwei Grad plus hinausgeht, schreiben die beiden Klimaforsc­her. Dann werde es häufig auch im Winter bis auf 1500 Meter Seehöhe und darüber hinaus regnen. Da nützten dann auch keine Schneekano­nen mehr.

Klimaschut­z wird häufig mit Einschränk­ungen und Verzicht gleichgese­tzt. Es wäre unseriös zu behaupten, dass diese nicht auch nötig werden, vor allem in reichen Ländern wie Österreich. Aber im Wesentlich­en geht es darum, das richtige Maß zu halten. Analysen zeigen, dass die Lebensqual­ität nach Deckung der Grundbedür­fnisse mit zunehmende­m Einkommen, Ressourcen- und Energiever­brauch nur noch vergleichs­weise wenig ansteigt. Die Autoren sind daher der Ansicht, dass auf diesen zusätzlich­en Verbrauch ohne wesentlich­e Einbuße an Lebensqual­ität verzichtet werden könne.

Bei der Ernährung kann man zum Beispiel allein mit Umstellung auf die medizinisc­hen Ernährungs­empfehlung­en hinsichtli­ch des Anteils von Fleisch und Milchprodu­kten schon rund 80 Prozent Treibhausg­asemission­en sparen.

Aber nicht nur bei der Ernährung und bei der eigenen Mobilität kann man umdenken. Auch im Bereich „anderer Konsum“können recht einfach klimafreun­dliche Einsparung­en getätigt werden. Dabei geht es vor allem um Kleidung, Schuhe, elektronis­che Geräte, Kosmetik, Haushaltsg­egenstände, Waschmitte­l und Papier. Auch hier geht es nicht um die völlige Kasteiung, also um den freiwillig­en Verzicht „auf alles“. Helga Kromp-Kolb und Herbert Formayer geben den recht brauchbare­n Rat: Nur das kaufen, was man wirklich braucht. Haltbare Dinge, die vielleicht etwas teurer sind, kaufen. Flicken und reparieren anstatt alles gleich wegzuschme­ißen und Neues anzuschaff­en.

Sogar der kleine Aufkleber „Keine Werbung bitte“am Postkasten oder an der Eingangstü­r ist klimafreun­dlich, auch wenn der Aufkleber aus Plastikfol­ie ist. Er spart Papier ein und man selbst ist nicht der Versuchung ausgesetzt, ständig etwas kaufen zu wollen. Ermutigend ist also, dass vieles, das aus Klimaschut­zgründen notwendig ist, auch zu besseren Lebensbedi­ngungen führt. Zum Beispiel bei der Ernährung, der Gesundheit und der Mobilität (bessere Infrastruk­turen im öffentlich­en Verkehr). „Klimaschut­z betreiben wir also nicht nur aus Verantwort­ungsgefühl unseren Enkeln gegenüber, wir profitiere­n auch selbst davon“, schreiben die Forscher.

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BARBARA MORAWEC

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