Einfach genial
Zu Gast in Schauflingers Gasthaus in Theuerwang. In der oberösterreichischen Einöde funkelt von Weitem ein Gesamtkunstwerk.
Autobahnabfahrt Vorchdorf, dann noch ein paar Kilometer weiter, an der Pferdeweide vorbei bis Theuerwang. Mehr muss man nicht wissen, wenn man eine unvergessliche Zeit erleben will. Ah ja: Und die Telefonnummer vom Gasthaus der Familie Schauflinger natürlich auch. Ohne Reservierung geht hier gar nichts. Der Blick auf die Speisekarte ist hier übrigens gleichzeitig immer auch eine Art Arbeitsnachweis des Gastgebers Hermann Schauflinger. Heute sehen wir: Der Jäger spazierte kürzlich über Feld und Wiese in den Wald. Denn heute gibt es unter anderem Carpaccio von roten Rüben, gratinierte Birnen mit Käse, Fasanenbrust, Hasensuppe, Reh mit Karotten und Kürbis, aber auch Rehburger und Rehbouillon mit Kalbsleberknödel. Über den Kalbsleberknödel führt uns Hermanns Weg zu seinem 80-jährigen Metzger, der ihn mit einem Kalb versorgte. Für die geröstete Kalbsleber sind die Schauflingers ebenso berühmt wie für ihr gebackenes Kalbsbries und Kalbshirn mit Ei. Sollten Sie Probleme dabei haben, zerhacktes Hirn zu essen, dann stellen Sie sich bitte einfach vor, das Gericht heißt „Das Klügste vom Kalb mit Ei“. Das historische Gemäuer, in dem diese Köstlichkeiten serviert werden, ist so dick, dass jedes Smartphone außer Gefecht gesetzt wird. Hier hat das Wort „Empfang“ also noch seine ursprüngliche Bedeutung. Wer smartphonisieren will, der geht hier wie die Raucher vor die Tür. Das ist eine gute Übung. Sie verinnerlicht: Zu viel ist immer ungesund.
In der Küche werken mit Christine und Lisa Schauflinger Hermanns Mutter und Ehefrau. Mit der Schwiegermutter in einer Küche? Ob das gut gehen kann? „Und wie“, sagt Christine. „Seit Lisa da ist, spiele ich nicht mehr Lotto. Weil ich mit ihr schon meinen Lotto-Sechser gemacht habe.“Der Vierkanter wird seit 1640 als Gasthaus geführt. Seit 1902 ist der Hof in der Hand der Schauflingers. Seitdem hat auch der Name Hermann Tradition als Familienvorsteher. Das könnte sich ändern: Derzeit flitzen mit Franziska und Carla zwei zauberhafte Töchter durch die Stuben. Manchmal helfen sie auch schon in der Küche und beim Service. Mehr Herz und Seele geht nicht.
Die Qualität des Essens erinnert an die Arbeitsweise des Jahrhundertkochs Karl Eschlböck. Oma Christine verfügt über eine klar ersichtliche klassische Handschrift. Und das gewisse Etwas steuert Lisa bei. Sie ist übrigens die Schwester von Tamara Staudinger, die im nahen Vorchdorf ein formidables Gasthaus namens Schloss Hochhaus führt. Tamara und Lisa sind wiederum geprägt von ihrer Mutter Ricky, die mit dem Restaurant Tanglberg jedem französischen Sterne-Restaurant das Perrier reichen kann.
Pure Bodenständigkeit ist für die Schauflingers aber auch nicht genug. Wer Glück hat, dem werden ein paar hauchdünne Trüffelscheibchen auf sein Kalbshirn mit Ei gehobelt. Auch feine Meeresfische haben die Schauflingers regelmäßig auf der Karte. Sobald sie eingetroffen sind, schickt Hermann sofort ein Foto der Fische an seine üblichen verdächtigen Stammgäste. „Dann sind die Fische meistens ausreserviert, bevor sie auf der Karte stehen“, sagt Hermann. Christine sind aber die heimischen Fische lieber. Sie sagt: „Die Frische ist beim Kochen die halbe Miete. Die zweite Hälfte ist es, keine Fehler beim Kochen zu machen.“Frische und Fehlerlosigkeit: Das erinnert wiederum an Lisa und Christine. Wir wollen dieses System nicht à la Carte, sondern à la Christl nennen.
Zum System der Schauflingers gehört übrigens auch, dass sie jeden Freitagnachmittag ihre Greißlerei aufsperren. Dort gibt es keine Delikatessen zum Mitnehmen, sondern Mode, moderne Kunst, Maßschuhe und Manschettenknöpfe. „Jeder durfte sich ein Produkt wünschen“, erklärt Lisa. „Hermann wollte die Schuhe, ich die Mode, Christl die Manschettenknöpfe – und alle wollten wir Kunst.“„Mamas Tipps gehen übrigens nie auf“, ergänzt Hermann augenzwinkernd. „Nach zwei Jahren hat sie einem Gast ihre ersten beiden Knöpfe – äh – geschenkt. Weil sie sich so gefreut hat, dass sich endlich jemand dafür interessiert hat.“
Also noch einmal: Autobahnabfahrt Vorchdorf und ein paar Kilometer weiter ...