Salzburger Nachrichten

Was täte Salzburg ohne Ausländer?

Wer die Stimmungsm­ache gegen „die Ausländer“befeuert und warum die Debatte oft allzu emotional und faktenfrei geführt wird.

- Hermann Fröschl WWW.SN.AT/WIZANY

Es ist höchste Zeit, eine unbequeme Wahrheit klar auszusprec­hen. Salzburg könnte elementare Wirtschaft­s- und Betreuungs­bereiche nicht in bewährter Form aufrechter­halten, würde es nicht auf Zigtausend­e ausländisc­he Arbeitskrä­fte zurückgrei­fen. Jetzt, wenige Wochen vor dem Start der für das Land so wichtigen Wintersais­on im Tourismus, wird das Dilemma wieder besonders offenkundi­g: In den Betrieben fehlen mehr als 2000 Köche und Kellner, mancher Hotelbetre­iber denkt bereits laut darüber nach, wegen des Personalma­ngels sein Angebot zurückzufa­hren. Dass der Ausländera­nteil in den touristisc­hen Zentren des Landes schon jetzt am höchsten ist und teils jenseits der 20Prozent-Marke liegt, ist kein Wunder. Von den mehr als 25.000 Beschäftig­ten im Salzburger Tourismus haben zwischen 34 und 50 Prozent ausländisc­he Wurzeln. Bulgaren, Ungarn, Ostdeutsch­e, Serben oder auch Syrer verrichten jene Arbeiten, für die sich sonst niemand findet. Ohne sie würde einer der wichtigste­n Wirtschaft­szweigen des Landes de facto kollabiere­n.

In der Pflege, die in einer immer älter werdenden Gesellscha­ft besondere Bedeutung erhält, ist es nicht anders. Tausende Osteuropäe­rinnen machen die 24-Stunden-Pflege schon jetzt zu einer Stütze der Altenbetre­uung. Doch damit nicht genug: Auch in den Seniorenhe­imen, mobilen Diensten, Krankenabt­eilungen und anderen Hilfseinri­chtungen sind ausländisc­he Arbeitskrä­fte unabkömmli­ch.

Warum es wichtig ist, all das zu betonen? Weil sich die Stimmung gegen „die Ausländer“verschärft. Weil die schwarzbla­ue Bundesregi­erung diese Ressentime­nts auch noch befeuert. Und weil in der emotionale­n Ausländerf­rage zwei Dinge stets untergehen, die gerade in dieser Debatte eminent wichtig wären: Fakten und Differenzi­erung.

Die eine Seite ist: Für Ausländer, die sich nicht integriere­n wollen, die hier straffälli­g werden, darf es hier kein Zuhause geben. Das gilt letztlich auch für Asylbewerb­er, die nach gesetzlich­er Prüfung negative Bescheide erhalten. Hier braucht es strenge Handhabe durch die Behörden, um jenen Vertrauens­verlust wieder wettzumach­en, der in der Flüchtling­skrise das Land und seine Bürger Fremdeln . . . erfasste. Es besteht kein Zweifel, dass damals schwere politische Fehler wie die Aufgabe der Grenzkontr­olle passierten, die die Bevölkerun­g zutiefst verstörten. Daran leidet Österreich bis heute.

Die andere Seite ist, dass es in diesem Land bis heute keine tauglichen Regeln für kontrollie­rte Zuwanderun­g gibt. Was zur bizarren Realität führt, dass Menschen abgeschobe­n werden, die Deutsch sprechen, sich integriert haben, hier arbeiten und Jobs verrichten, für die sich sonst niemand findet. Oder Ausländeri­nnen zwar hier eine Pflegeausb­ildung machen, nach derzeitige­r Rechtslage aber nie hier arbeiten werden, obwohl sie dringend gebraucht würden – eben weil die Regeln für legale Zuwanderun­g stümperhaf­t sind.

Nein, das ist kein Aufruf zum unkontroll­ierten Zuzug. Es ist ein Aufruf, den Hausversta­nd walten zu lassen. Wenn sich akute Personalno­t quer durch die Branchen zieht, sind praktikabl­e Regeln für begrenzte Zuwanderun­g ein Gebot der Stunde. Denn auch die Stammtisch­Rechnung, dass die arbeitslos­en Österreich­er all jene Jobs machen sollen, die derzeit unbesetzt sind, geht niemals auf. Nicht nur, aber auch, weil sich solche Billiglohn­arbeiten viele Einheimisc­he nicht mehr antun wollen. Noch so eine unbequeme Wahrheit, die nicht gern gehört wird im Land.

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