Wie man sich einen Horizontal-Sager vertikal redet
Was herauskommt, wenn man sich den Kopf eines Tiroler SPÖ-Mannes zerbricht.
Positiv denken! Das ist in der Politik das Gebot der Stunde. Wenn zum Beispiel ein Tiroler SPÖ-Politiker erklärt, er könne sich eine grüne Landesrätin nicht in der Horizontalen vorstellen, so muss das nicht unbedingt böse gemeint gewesen sein. Im Gegenteil.
Es könnte ja auch sein, dass er so begeistert ist vom unermüdlichen Einsatz der Kollegin für das Wohl Tirols und so angetan von ihrem ständigen Auf-den-Beinen-Sein im Dienste der Allgemeinheit, dass er sich einfach nicht vorzustellen vermochte, sie könnte selbige (also die Beine, nicht die Allgemeinheit) jemals hoch lagern und sich zur Ruhe begeben. So gesehen war die Aussage keine Despektierlichkeit oder Schlimmeres, sondern ein Ausdruck höchster Wertschätzung. Positiv denken!
Es könnte auch sein, dass der kluge SPÖMann lediglich die Existenz der Horizontalen an sich infrage stellen wollte. Denn wie man aus dem Schulunterricht in Darstellender Geometrie weiß, schneiden sich Parallelen in der Unendlichkeit und krümmen sich Ebenen ebendort. Eine wirkliche Horizontale gibt es somit nicht, weshalb man sich auch niemanden in ihr vorstellen kann. Das gebietet schon allein die Kugelform der Erde.
Es könnte also sein, dass der Tiroler nur jenen Ewiggestrigen entgegentreten wollte, die immer noch glauben, die Erde wäre eine Scheibe. So gesehen handelte es sich bei seiner umstrittenen Wortmeldung nicht um einen Macho-Spruch, sondern um eine aufrechte, echt aufklärerische Tat. Positiv denken!
Weiters wäre denkbar, dass der Mann – und diese Mutmaßung ist im heiligen Land Tirol nicht allzu weit hergeholt – mit seiner Äußerung lediglich auf die christliche Ikonographie des Kreuzes anspielen wollte. Demnach symbolisiert der horizontale Balken die Verbreitung des Evangeliums, der vertikale Balken des Kreuzes hingegen die auf uns Irdische herab- kommende Gnade Gottes. Einen Mitmenschen mehr der Vertikalen als der Horizontalen zuzuordnen heißt also, ihn in eine göttliche Nähe zu rücken. Positiv denken!
Schließlich könnte man dem Herrn, von dem nun wirklich genug die Rede war, noch zugutehalten, dass er einfach nicht wusste, wovon er spricht. (Eine Grundannahme, die sich in der Politik häufig bewährt.)
Und wenn alles nichts nützt, um sich den Sager schönzureden, kann man immer noch jenes Mittel anwenden, das sich in der Filmbranche so bewährt hat: Noch der blutrünstigste Kriegsfilm wird zum pazifistischen Kunstwerk, wenn man vor „Kriegsfilm“die Vorsilbe „Anti-“setzt. Also: Es war ein Antisager, der überkommene Rollenbilder aufbrechen und einen Aufschrei gegen die Benachteiligung der Frau formulieren wollte. Positiv denken!