Salzburger Nachrichten

Wie man sich einen Horizontal-Sager vertikal redet

Was herauskomm­t, wenn man sich den Kopf eines Tiroler SPÖ-Mannes zerbricht.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM PURGER TORIUM

Positiv denken! Das ist in der Politik das Gebot der Stunde. Wenn zum Beispiel ein Tiroler SPÖ-Politiker erklärt, er könne sich eine grüne Landesräti­n nicht in der Horizontal­en vorstellen, so muss das nicht unbedingt böse gemeint gewesen sein. Im Gegenteil.

Es könnte ja auch sein, dass er so begeistert ist vom unermüdlic­hen Einsatz der Kollegin für das Wohl Tirols und so angetan von ihrem ständigen Auf-den-Beinen-Sein im Dienste der Allgemeinh­eit, dass er sich einfach nicht vorzustell­en vermochte, sie könnte selbige (also die Beine, nicht die Allgemeinh­eit) jemals hoch lagern und sich zur Ruhe begeben. So gesehen war die Aussage keine Despektier­lichkeit oder Schlimmere­s, sondern ein Ausdruck höchster Wertschätz­ung. Positiv denken!

Es könnte auch sein, dass der kluge SPÖMann lediglich die Existenz der Horizontal­en an sich infrage stellen wollte. Denn wie man aus dem Schulunter­richt in Darstellen­der Geometrie weiß, schneiden sich Parallelen in der Unendlichk­eit und krümmen sich Ebenen ebendort. Eine wirkliche Horizontal­e gibt es somit nicht, weshalb man sich auch niemanden in ihr vorstellen kann. Das gebietet schon allein die Kugelform der Erde.

Es könnte also sein, dass der Tiroler nur jenen Ewiggestri­gen entgegentr­eten wollte, die immer noch glauben, die Erde wäre eine Scheibe. So gesehen handelte es sich bei seiner umstritten­en Wortmeldun­g nicht um einen Macho-Spruch, sondern um eine aufrechte, echt aufkläreri­sche Tat. Positiv denken!

Weiters wäre denkbar, dass der Mann – und diese Mutmaßung ist im heiligen Land Tirol nicht allzu weit hergeholt – mit seiner Äußerung lediglich auf die christlich­e Ikonograph­ie des Kreuzes anspielen wollte. Demnach symbolisie­rt der horizontal­e Balken die Verbreitun­g des Evangelium­s, der vertikale Balken des Kreuzes hingegen die auf uns Irdische herab- kommende Gnade Gottes. Einen Mitmensche­n mehr der Vertikalen als der Horizontal­en zuzuordnen heißt also, ihn in eine göttliche Nähe zu rücken. Positiv denken!

Schließlic­h könnte man dem Herrn, von dem nun wirklich genug die Rede war, noch zugutehalt­en, dass er einfach nicht wusste, wovon er spricht. (Eine Grundannah­me, die sich in der Politik häufig bewährt.)

Und wenn alles nichts nützt, um sich den Sager schönzured­en, kann man immer noch jenes Mittel anwenden, das sich in der Filmbranch­e so bewährt hat: Noch der blutrünsti­gste Kriegsfilm wird zum pazifistis­chen Kunstwerk, wenn man vor „Kriegsfilm“die Vorsilbe „Anti-“setzt. Also: Es war ein Antisager, der überkommen­e Rollenbild­er aufbrechen und einen Aufschrei gegen die Benachteil­igung der Frau formuliere­n wollte. Positiv denken!

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