Es gibt kein Durchkommen
Vergeblich versuchten Flüchtlinge in die USA zu gelangen. Mexiko will sie jetzt abschieben.
MEXIKO-STADT. Rund 500 Männer, Frauen und Kinder hatten in einem Akt der Verzweiflung am Sonntag versucht, einen Grenzübergang in Tijuana mit Gewalt zu überwinden. Maria Louisa Caceres gehörte zu diesen Flüchtlingen, die seit Tagen in Notunterkünften darauf gewartet hatten, einen Antrag auf Asyl in den USA stellen zu können. Als am Sonntag dann einige Demonstranten plötzlich Richtung Grenzzaun losrannten, nahm die 42-Jährige ihren Sohn an die Hand und lief mit. „Wir dachten, Gott hat Trumps Herz berührt“, erklärte die Frau gegenüber einem US-Reporter. Wie viele andere hatte sie sich geirrt.
Die Grenze wurde nicht geöffnet. Vielmehr wurden die Flüchtlinge von US-Grenzschützern mit Tränengas zurückgeschlagen. Die USRegierung dürfte ihre Haltung so schnell auch nicht ändern. Noch am Sonntagabend kündigte sie „konsequente Gegenwehr“an. Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen sagte, ihre Regierung werde solche Formen von Gesetzlosigkeit nicht tolerieren. Der Grenzübergang San Ysidro, über den täglich 250.000 Menschen zwischen den USA und Mexiko pendeln und 85.000 Fahrzeuge fahren, wurde für mehrere Stunden geschlossen.
Auch die mexikanische Regierung reagiert auf den Vorfall vom Sonntag. Sie will mehrere Hundert zentralamerikanische Migranten abschieben. Das Innenministerium sprach von einem „Akt der Provokation“. Mehrere Gruppen hätten an verschiedenen Stellen der Grenze versucht, auf das Territorium der USA zu gelangen, sagte Minister Alfonso Navarrete. „Diese Personen helfen der Karawane in keiner Weise, im Gegenteil, sie schaden ihr.“
Der Vorfall vom Sonntag war die lang befürchtete Zuspitzung der Situation in der Grenzstadt Tijuana. Rund 5000 Migranten halten sich seit mehr als einer Woche in einem Sportstadion der Stadt auf, das als Auffanglager dient. Immer mehr Teilnehmer der Karawane verlieren die Nerven und wollen unbedingt versuchen, in die USA zu gelangen.
Die US-Regierung will die Flüchtlinge daran hindern, amerikanischen Boden zu betreten. Dort nämlich hätten die Menschen, ungeachtet wie sie in die USA gelangt sind, das Recht, einen Antrag auf Asyl zu stellen. Ein Bundesrichter hatte das in der vergangenen Woche in einer einstweiligen Verfügung bekräftigt.
In diesem Sinn verurteilte auch der Parteichef der US-Demokraten, Tom Perez, das Vorgehen der Grenzschützer. „Asyl zu beantragen ist kein Verbrechen.“Darauf mit Tränengas zu reagieren sei „unamerikanisch“.
Ganz anders sah die Reaktion des US-Präsidenten aus. Mexiko solle die „Fahnen schwenkenden Migranten, von denen viele eiskalte Kriminelle sind, in ihre Länder zurückschicken“, twitterte Donald Trump. Die USA würden sie nicht hereinlassen. „Notfalls schließen wir die Grenze auf Dauer.“
Mittlerweile steigt auch der Unmut der Einwohner Tijuanas. Wegen der Vorkommnisse ist die Zahl der Touristen und Besucher deutlich zurückgegangen. Tourismusverbände sprechen von einem Einbruch von um die 70 Prozent in den vergangenen Wochen.
Eine Entspannung des Konflikts wird wohl erst Anfang Dezember möglich sein, wenn der neue Präsident Andrés Manuel López Obrador sein Amt antritt. Zum einen will er mehr Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse für Zentralamerikaner ausstellen, damit sie in Mexiko eine Perspektive finden. Zum anderen will er die US-Regierung von einer Art „Marshallplan“für Zentralamerika überzeugen, um die Fluchtursachen in Honduras, El Salvador und Guatemala zu bekämpfen.