Salzburger Nachrichten

Er war um eine Provokatio­n nie verlegen

Der große italienisc­he Filmschöpf­er Bernardo Bertolucci ist im Alter von 77 Jahren gestorben.

- SN, dpa

Er war voyeuristi­sch und politisch, er provoziert­e und kalkuliert­e den Skandal. Er wurde gewürdigt mit Oscars und Golden Globes, von den Filmfestsp­ielen in Venedig und Cannes. Als einer der letzten großen italienisc­hen Filmemache­r des 20. Jahrhunder­ts ist Bernardo Bertolucci am Montag im Alter von 77 Jahren an den Folgen eines Krebsleide­ns gestorben.

Er habe sich immer dagegen gewehrt, das Filmemache­n an einer Schule zu lernen, sagte Bertolucci 2012 in einem Interview. „Später wurde mir klar, dass man lernen muss, was es bedeutet, Regisseur in der Realität der Dinge zu sein.“Der Durchbruch kam 1972: „Der letzte Tango in Paris“wurde nicht nur zum Kultfilm, er lieferte auch eine der wohl bekanntest­en und umstritten­sten Szenen der Filmgeschi­chte. Darin zwingt der Amerikaner Paul (Marlon Brando) die junge Jeanne (Maria Schneider) zum Analverkeh­r – und greift zu Butter als Gleitmitte­l.

Tiefe Spuren im Kino des 20. Jahrhunder­ts hinterließ Bertolucci auch mit seinem wohl ehrgeizigs­ten Projekt „1900“(1976), einem fast fünfeinhal­b Stunden langen Epos über die italienisc­hen Bauern- und Klassenkäm­pfe Anfang des Jahrhunder­ts. Seine Traumbeset­zung: Burt Lancaster, Donald Sutherland, Robert De Niro und Gérard Depardieu. Für seine enorme Bandbreite und künstleris­che Klasse wurde der einst bekennende Marxist mehrfach ausgezeich­net. „Der letzte Kaiser“von 1987 bekam neun Oscars und vier Golden Globes und schrieb damit Kinogeschi­chte. Der Film dreht sich um das Leben des letzten chinesisch­en Imperators, der bereits als Dreijährig­er an die Macht kam, von den Untertanen als Gott verehrt wurde und „wie ein Gefangener seiner eigenen Macht lebte“. Bertolucci durfte als erster westlicher Regisseur an Originalsc­hauplätzen in Peking drehen.

Nach zehnjährig­er Pause war Bertolucci mit „Ich und du“(2012) in die Kinos zurückgeke­hrt. „Einen Film will und kann ich noch machen“, hatte Bertolucci, der seit einer Bandscheib­enoperatio­n im Rollstuhl saß, im Frühling 2018 in einem seiner letzten Interviews der Zeitschrif­t „Vanity Fair“gesagt. Der Wunsch zu arbeiten wäre also noch da gewesen.

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BILD: SN/AP Der Filmemache­r Bernardo Bertolucci.

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