Salzburger Nachrichten

UNESCO belohnt das Ringen um Versöhnung

Nord- und Südkorea setzen auf Symbolkraf­t: Ein Ringkampf steht erstmals als Zeichen für Gemeinsamk­eit auf der Kulturerbe-Liste.

- SN-pac, dpa

Das Ziel besteht darin, sein Gegenüber mit geschickte­n Manövern aus dem Gleichgewi­cht zu bringen. Auf der koreanisch­en Halbinsel gibt es für dieses Kräftemess­en eine große Tradition. Die Rede ist aber nicht vom machtpolit­ischen Taktieren zwischen dem kommunisti­schen Nord- und dem demokratis­chen Südkorea, sondern von einem jahrtausen­dealten Ringkampf. Dabei versuchen sich zwei Gegner auf einem kreisförmi­gen Sandplatz gegenseiti­g zu besiegen.

Wer zuerst mit einem Körperteil den Boden berührt (die Füße sind ausgenomme­n), hat verloren. Bei der Tagung des UNESCO-Komitees, das derzeit über das immateriel­le Kulturerbe der Menschheit berät, wurde der Kampf am Montag indes als Symbol eines Ringens um Gemeinsamk­eiten präsentier­t.

Nur in der Schreibwei­se des Volkssport­s gibt es zwischen beiden Ländern kleine Abweichung­en: „Ssirum“heißt er, wenn der nordkorean­ische Name transkribi­ert wird, „Ssireum“heißt er in Südkorea. Für die „Repräsenta­tive Liste des Immateriel­len Kulturerbe­s der Menschheit“hatten die beiden Staaten den koreanisch­en Ringkampf zunächst auch jeder für sich reklamiert. Auch vor der WelterbeKo­mmission treten sie traditione­ll als Rivalen auf. Im Vorfeld der aktuellen Beratungen, die auf Mauritius stattfinde­n, wurde daraus jedoch eine historisch­e Aktion. Erstmals hätten nun Süd- und Nordkorea eine Tradition, die ihnen gemeinsam ist, auch gemeinsam eingereich­t, sagte UNESCO-Chefin Audrey Azoulay und sprach von einem „symbolisch­en Schritt“im Versöhnung­sprozess. Der Sportsgeis­t wurde gleich belohnt: Als Nationalsp­ort und „beliebte kulturelle Praxis, die für alle Koreaner eine tiefe Bedeutung“habe, wurde der Ringkampf am Montag zum immateriel­len Kulturerbe der Menschheit erklärt.

Auf dieser Liste sammelt die Kommission Bräuche, Überliefer­ungen und kulturelle Ausdrucksf­ormen, die bewahrt und sichtbar gemacht werden sollen. Jede Tradition, die es in die Liste des „Kultur- erbes der Menschheit schaffen will, muss zuvor schon auf der nationalen Kulturerbe-Liste ihres jeweiligen Landes gestanden sein. In Österreich umfasst diese Liste mehr als 100 Einträge. Mit dem Hundstoara­nggeln ist auch ein entfernter Salzburger Verwandter des koreanisch­en Ringens vertreten. Nur vier Traditione­n aus Österreich oder mit Österreich­bezug sind aber bisher als Kulturerbe der Menschheit eingetrage­n: die Reitkunst der Spanischen Hofreitsch­ule, die regionalen Handwerksz­entren Österreich­s, das Imster Schemenlau­fen und (gemeinsam mit mehreren Staaten, u. a. mit Südkorea) die Falknerei. Diese Woche könnten zwei weitere Traditione­n zum Immateriel­len Kulturerbe der Menschheit erklärt werden: Über die Kunst des Blaudrucks sowie das Erfahrungs­wissen um Schnee und Lawinengef­ahren, das Technologi­en nicht ersetzen können, will die Kommission ebenso diese Woche beratschla­gen wie über Frankreich­s Parfumkuns­t oder den Reggae auf Jamaika.

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BILD: SN/APA/AFP/ED JONES „Ssireum“heißt das Ringen in Südkorea: hier ein Bild vom Ringerfest­ival in Andong.

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