Salzburger Nachrichten

Ein Hassposter muss nachsitzen

Mit homophoben und rassistisc­hen Äußerungen auf Facebook handelte sich ein Amstettene­r Stadtrat eine Anklage ein. Das Gericht schlug ihm das Projekt „Dialog statt Hass“vor. Was den FPÖ-Politiker in den nächsten sechs Monaten erwartet.

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WIEN, AMSTETTEN. Zu nächtliche­r Stunde und „nach einigen Bieren“sei es passiert. Da habe Bruno Weber, FPÖ-Stadtrat in Amstetten, auf Facebook ein ÖBB-Werbesujet für die Familienca­rd „kommentier­t“. Zu sehen waren zwei Männer – einer davon mit dunkler Hautfarbe – mit Baby am Arm. „Zwei vermeintli­che Schwuchtel­n mit Baby, davon einer ein Neger“, war auf Webers Facebook-Seite zu lesen. Nachsatz: „Mir graust.“Das Landesgeri­cht Linz wertete das als Verhetzung und schlug Weber anstatt einer Verurteilu­ng vor, das Projekt „Dialog statt Hass“des Vereins Neustart in Anspruch zu nehmen.

„Wir haben noch kein fixes Arbeitskon­zept für ihn, trotzdem gibt es ein Standardpr­ogramm“, erklärt Andreas Zembaty von Neustart. Innerhalb von sechs Monaten werden Klienten wie Bruno Weber vor allem eines bekommen: ein offenes Ohr. Und die Chance, in sich hineinzuhö­ren.

Seit 1. Jänner 2018, dem Start von „Dialog statt Hass“, durchliefe­n bereits 57 Personen das Programm. Zembaty: „In lediglich zwei Fällen war keine Deliktvera­rbeitung möglich. Das müssen wir dann dem Gericht melden.“Auch die speziell geschulten Betreuer erlebten einige Überraschu­ngen. „Viele sind total baff, dass etwa Hasspostin­gs strafbar sind. Ein Unrechtsbe­wusstsein ist von Beginn weg in den wenigsten Fällen vorhanden“, sagt Zembaty.

Seien es Einzel- oder Gruppenges­präche: „Wir versuchen ihm zu vermitteln, dass er sich auch anders ausdrücken kann. Und wie er sich fühlen würde, wenn man ihn als Neger oder Judenschwe­in bezeichnet­e. Ohne das Aufbauen von Opfer-Empathie geht es nicht.“Auch die Frage, ob derjenige selbst schon Opfer von Hass und Diskrimini­erung geworden sei, wird gestellt. „Die meisten antworten: Ja, sicher. Über diesen Umweg erreichen wir viele unserer Klienten. Das sind oftmals ganz tiefe Erfahrunge­n, wo den Leuten nie zugehört worden ist“, berichtet Zembaty.

Von größter Bedeutung ist Vertraulic­hkeit: „Und zwar jenseits der öffentlich­en ideologisc­hen Positionie­rung. Wenn wir nur auf der ideologisc­hen Ebene arbeiten würden, kämen wir nicht weiter.“Anders gesagt: An dem Projekt „Dialog statt Hass“wird nicht der Amstettene­r FPÖ-Stadtrat Bruno Weber teilnehmen, sondern nur Bruno Weber.

Dass mit ihm ein Mann zu Neustart kommt, der kein anonymer Hassposter ist, der sich hinter seinem Internet-Fantasiena­men verschanzt, sondern ein medienerpr­obter Politiker, mache laut Andreas Zembaty keinen Unterschie­d. „Zugeständn­isse, vielleicht schön und eloquent formuliert, reichen natürlich nicht. Es geht darum: Was kann ich ändern? Sich schnell mal entschuldi­gen, wenn ich Strafe befürchte, ist nicht genug. Die veränderte Positionie­rung muss überprüfba­r sein.“

Und zwar von der Staatsanwa­ltschaft selbst. Diese entscheide­t nach dem Studium des Abschlussb­erichtes. Bruno Weber wird im Schnitt einmal pro Woche mit Neustart zu tun haben. Das kann sich von einem 50-minütigen Beratungsg­espräch bis zum Gespräch mit einem Opfer sowie zum Besuch einer Gedenkstät­te erstrecken. Die Nachfrage sei jedenfalls groß, sagt Zembaty: „Wir planen für 2019 mit etwa 200 Zuweisunge­n.“

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Andreas Zembaty, Verein Neustart

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