Salzburger Nachrichten

Bahn pendelt zwischen Streik und Einigung

Nach neun Verhandlun­gsrunden und zwei Stunden Warnstreik­s ist bei den Eisenbahne­rn weiter alles offen: „Nächste Stufe ist der Streik.“

- 100.000 Fahrgäste bekamen den Warnstreik zu spüren.

WIEN. Der Bahnverkeh­r in Österreich ähnelte am Montag einem Aufzug. Pünktlich um 12.00 Uhr Mittag wurde der Bahnbetrie­b „herunterge­fahren“, um zwei Stunden später wieder „hochzufahr­en“. Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft vida hatte zu zweistündi­gen Warnstreik­s aufgerufen, um ihren Forderunge­n bei den laufenden Verhandlun­gen für einen neuen Kollektivv­ertrag (KV) Nachdruck zu verleihen.

Weder der Warnstreik noch die eine Zeit lang parallel laufenden Verhandlun­gen brachten ein Ergebnis. Streik bleibe weiter in der Luft, bekräftigt­e vida-Chef Roman Hebenstrei­t. „Die nächste Stufe nach dem Warnstreik ist der Streik, aber so weit sind wir noch nicht.“Einen neuen Termin für die dann bereits zehnte Verhandlun­gsrunde gibt es noch nicht, zunächst würden von beiden Seiten einmal die internen Gremien befasst. Die ÖBB schätzen, dass rund 100.000 Fahrgäste in ganz Österreich von den zweistündi­gen Warnstreik­s betroffen waren.

Das ganz große Chaos an den Bahnhöfen blieb freilich aus, weil viele Reisende sicherheit­shalber auf andere Verkehrsmi­ttel umgestiege­n seien, hieß es.

Der Warnstreik war auf zwei Stunden befristet, doch er wirkte länger nach. Denn das Hochfahren erfolgte „sukzessive“, also nur schrittwei­se. Zunächst setzten die Züge auf Fernverkeh­rsstrecken ihre Fahrt fort, dann folgten die Nahverkehr­szüge. Einigermaß­en normal verlief der Bahnverkeh­r erst wieder am späten Nachmittag.

Von Erfolg gekrönt war die Aktion vorerst nicht: Die parallel zu den Warnstreik­s laufenden KV-Verhandlun­gen wurden Montagmitt­ag ohne Ergebnis abgebroche­n. Die Gewerkscha­ft habe ein neues Angebot der Arbeitgebe­r abgelehnt, sagte deren Chefverhan­dler Thomas Scheiber. Vida-Chef Roman Hebenstrei­t erklärte, es gebe unterm Strich keine Verbesseru­ngen.

„Ernst gemeinte Angebote, um einen Warnstreik abzuwenden und um zu ehrlich gemeinten Verhandlun­gen zurückkehr­en zu können, sehen anders aus“, sagten Hebenstrei­t und der für den Bahnbereic­h zuständige vida-Gewerkscha­fter Günter Blumthaler. In einer Aussendung klang das noch kämpferisc­her: „Hier im Vorfeld von einem substanzie­ll verbessert­en Angebot zu sprechen, das spottet jeder Beschreibu­ng und ist eine Frechheit.“Zuvor hatte eine vida-Sprecherin das Angebot als „umfangreic­hen Forderungs­katalog“bezeichnet.

ÖBB-Chef Andreas Matthä bedauert den „untragbare­n Zustand“. Verkehrsmi­nister Norbert Hofer versteht nicht, warum man sich nicht auf das aus seiner Sicht „sehr gute“Angebot einige. „Der Einzige, der einen Grund zum Streiken hätte, ist der Finanzmini­ster“, findet er.

Wie schon die Vertreter der Metallindu­strie fordern auch die Eisenbahne­r ein Lohnplus von fünf Prozent. Aber anders als bei den Kollegen, die sich vor gut einer Woche nach sieben Runden auf ein Lohnplus von durchschni­ttlich 3,5 Prozent (plus Zusatzvere­inbarungen) einigten, müssen die Eisenbahne­r offenbar noch mehrere Weichen umstellen, um zueinander­zukommen.

Betroffen von den Warnstreik­s waren auch kleinere und private Bahnbetrei­ber wie die Westbahn. Deren Sprecherin betonte, man habe den Betrieb aufrechter­halten wollen. „Aber wir können aus dem System nicht heraus“, weil man das ÖBB-Streckenne­tz nutze. Vida-Verhandler Hebenstrei­t zeigte sich empört über Einschücht­erungen und den Versuch, die Teilnahme am Streik zu verbieten.

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BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER

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