Neue Gesetze sollen die Kontrolle verbessern Wie sicher sind die eingesetzten Implantate?
Das Ersatzteillager für den Menschen wird rasch größer. Das hat für den Einzelnen viele Vorteile, schafft aber auch neue Probleme.
SALZBURG, MÜNCHEN. Der Skandal um fehlerhafte Brustimplantate der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) wirkt in Österreich bis heute nach. Das Unternehmen hatte billiges Industriesilikon verwendet, die Implantate platzten auf und mussten entfernt werden. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat sich daraufhin für 69 Österreicherinnen einer Sammelklage gegen die französische Zulassungsbehörde angeschlossen. 207.000 Euro wurden bereits ausbezahlt, eine weitere Sammelklage wird von Thomas Hirmke, dem Leiter der VKI-Rechtsabteilung, derzeit gerade vorbereitet (Anmeldung unter www.verbraucherrecht.at). Mittlerweile würden sich auch Frauen melden, die Probleme mit Implantaten anderer Hersteller hätten.
In diesem Zusammenhang alarmieren die Recherchen eines Medienverbundes von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ). Demnach haben fehlerhafte Medizinprodukte wie Implantate, aber auch Herzschrittmacher, Ersatz für Bandscheiben oder künstliche Gelenke zunehmend Verletzungen und auch Todesfälle zur Folge. In Deutschland wurden diesbezüglich im vergangenen Jahr 14.034 Fälle gemeldet. 2016 waren 12.000 Fälle registriert worden.
In der Vergangenheit habe sich im Nachhinein gezeigt, so der Rechercheverbund, bei mehr als der Hälfte aller Meldungen sei das Produkt die Ursache gewesen. Aber zuletzt sei nur bei etwa der Hälfte der Vorkommnisse das jeweilige Produkt auch untersucht worden.
In Österreich gab es im Vorjahr nach Auskunft des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) 2667 Fälle, in denen Implantate und andere Medizinprodukte zu Problemen, Verletzungen oder sogar zum Tod geführt haben. Tendenz auch hier steigend. Wobei Elisabeth Publig von der AGES (Bundesagentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) darauf hinweist, Spitäler und Ärzte würden es mit der gesetzlichen Meldepflicht nicht immer so ernst wie eigentlich notwendig nehmen. Nur „20 Prozent werden initial von den Einrichtungen des Gesundheitswesens“gemeldet. Publig ermuntert deshalb auch Betroffene und Angehörige, sich beim BASG zu melden, wenn es Probleme mit Implantaten gebe.
In Deutschland kämpft man mit ähnlichen Problemen. Dort mussten im Vorjahr zum Beispiel 3170 Brustimplantate wieder herausoperiert werden, weil das Gewebe rund um die Silikonkissen schmerzhaft vernarbt war. Gemeldet hat man aber, wie der Rechercheverbund herausfand, nur 141 dieser Fälle.
Für Österreich verweist jedoch Walther Jungwirth, einer der führenden Schönheitschirurgen des Landes, auf ein eigens eingeführtes Implantatregister seiner Zunft. Darin werden alle Daten zum jeweiligen Implantat, zum Chirurgen, aber auch über Komplikationen festgehalten. Und er versichert, dass dieses System funktioniere. „So haben wir im PIP-Skandal blitzartig alle Frauen ausfindig machen können, die Brustimplantate mit Industriesilikon bekommen hatten“, betont Jungwirth. So wissen die Schönheitschirurgen auch, dass eine Frau statistisch gesehen derzeit 1,4 Implantate auf die Lebenszeit gesehen benötigt. Ein Tausch kann notwendig werden, wenn die Implantate aufplatzen, verrutschen oder es zu einer verstärkten schmerzhaften Kapselbildung kommt.
Auch bei der Salzburger Patientenanwältin Mercedes Zsifkovics mehren sich mit der Zahl der Operierten auch die Beschwerden wegen diverser Implantate, gehe es nun um Hüfte, Knie, Wirbelsäule oder Brust. Statistisch werde das von den Patientenanwälten aber nicht ausgewertet. Materialfehler, wie überdurchschnittlicher Abrieb von künstlichen Gelenken, stünden dabei jedoch nicht im Vordergrund. Das sei auch sehr schwer zu beweisen, wenn nicht eine ganze Charge eines Implantats betroffen sei. Dann gebe es, sagt Zsifkovics, meist auch sehr schnell Kulanzlösungen des jeweils betroffenen Herstellers.
Dass Handlungsbedarf besteht, vor allem auch was die Zulassung von Implantaten betrifft, darüber besteht kein Zweifel. Der PIP-Skandal hat auf EU-Ebene die Kommission wachgerüttelt.
Am Montag hieß es in Brüssel als Reaktion auf die Berichte deutscher Medien: Als Konsequenz aus dem Skandal um geplatzte Brustimplantate sei 2017 ein neues Regelwerk beschlossen worden, sagte eine Sprecherin. „Aber die Geschichte ist noch nicht vorbei. Wie immer ist natürlich die Umsetzung der entscheidende Punkt.“Die EU-Staaten, Hersteller und Ärzte seien aufgefordert, die strengeren Qualitäts- und Sicherheitsstandards anzuwenden und ihre Arbeit transparenter zu machen. Die Reform setzt vor allem auf striktere Kontrollen von Medizinprodukten vor und nach dem sogenannten Inverkehrbringen. Darüber hinaus gebe es mit Eudamed erstmals eine Datenbank, um die Aufsicht über Medizinprodukte zu unterstützen.
Philipp Lindinger, Geschäftsführer der Interessenvertretung der Hersteller (Austromed), verweist darauf, dass die entsprechende EUVerordnung bis 2020 in den einzelnen Mitgliedsstaaten umgesetzt sein müsse. Zertifikate für Medizinprodukte seien im Gegensatz zu Arzneimitteln zeitlich befristet und müssten dann spätestens alle fünf Jahre einem neuerlichen Zertifizierungsprozess unterzogen werden. Hochrisikoprodukte müssten sogar ein jährliches Audit bestehen.