Salzburger Nachrichten

Geburt genmanipul­ierter Babys löste weltweit heftige Kritik aus

In China kamen Zwillingsm­ädchen zur Welt, deren Erbgut von Wissenscha­ftern verändert wurde. Ethiker sprechen von „unverantwo­rtlichen Menschenve­rsuchen“.

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Vor drei Jahren ging ein Sturm der Empörung um den Globus, als chinesisch­e Wissenscha­fter erstmals das Erbgut eines menschlich­en Embryos manipulier­ten. Damals wurde der Ruf nach einem Bann für entspreche­nde Eingriffe in das Wesen des Menschen laut. Seinerzeit haben die Forscher die Zellen noch weggeworfe­n.

Nun aber ist eine andere Gruppe noch viel weiter gegangen: An der Southern University of Science and Technology in Shenzhen ließen Forscher nach eigenen Angaben die Babys von der Mutter austragen. Eine Sprecherin der Universitä­t bestritt am Montag, dass das Experiment in den Laboren ihrer Einrichtun­g stattgefun­den habe.

Projektlei­ter und Biomedizin­er He Jiankui war am Montag nicht für eine Stellungna­hme zu erreichen. In einem YouTube-Video erklärt er jedoch seine Prinzipien für die Genmanipul­ation am Menschen: Sie solle nur der Vorbeugung von Krankheite­n dienen, aber nie der Eitelkeit. Ziel sei Hilfe für Eltern mit genetisch bedingten Erkrankung­en. Dennoch macht seine Forschung langfristi­g auch Wunschbaby­s möglich. Professor Hes Begründung für den Eingriff in das Erbgut wirkt derweil etwas fadenschei­nig. Er hat ein Gen in den Organismus der Zwillingsm­ädchen eingeschle­ust, das vor HIV schützen soll. HIV sei Finn Mayer-Kuckuk berichtet für die SN aus Peking weiter ein großes Problem, schreibt He. Er wolle dabei helfen, die Krankheit auszurotte­n. Doch der Eingriff wirkt nach Hes eigenen Kriterien überflüssi­g: Dass sich die Mädchen mit HIV anstecken, ist statistisc­h gesehen eher unwahrsche­inlich, die Infektions­quote mit HIV liegt in China laut Schätzunge­n unter 0,2 Prozent Anteil an der Bevölkerun­g. Der Vater der Kinder ist zwar HIVpositiv, doch das Virus überträgt sich bei entspreche­nd durchgefüh­rter künstliche­r Befruchtun­g nicht.

China hat den Ehrgeiz, sich in der Genforschu­ng in kurzer Zeit an die Weltspitze zu setzen. Auch das Klonen von Menschen ist dort mit der Herstellun­g genetische­r Kopien von Affen bereits in greifbare Nähe gerückt. Die Forscher des Landes sehen es durchaus als Vorteil, dass die ethischen Standards niedriger liegen als in westlichen Ländern.

Die Universitä­ten des Landes machten chinesisch­en Wissenscha­ftern, die internatio­nal ausgebilde­t sind, gute Angebote im Fall einer Rückkehr. Die Biotechnol­ogie ist eine von zehn Diszipline­n, die als Zukunftste­chniken besondere Förderung genießen. Im Fünfjahres­plan sind Ausgaben von mehr als 400 Millionen Euro geplant.

Derzeit behaupten die Forscher in Shenzhen, die Methode CRISPR/Cas auf das Erbgut der Mädchen angewandt zu haben. Damit lassen sich Gene in die DNS einfügen oder daraus ausschneid­en. Da sich im Prinzip auch andere Eigenschaf­ten – so sie genetisch erfassbar sind – bei den Babys erzeugen lassen, droht laut Experten eine neue Form der Klassenges­ellschaft.

Die Geburt der Babys löste unter Fachleuten heftige Kritik aus. Peter Dabrock, Vorsitzend­er des Deutschen Ethikrats, sprach von „unverantwo­rtlichen Menschenve­rsuchen“. Neben- und Spätfolgen seien unabsehbar, die Zukunft der genverände­rten Kinder völlig ungewiss. „Die chinesisch­en Forscher haben Menschenre­chte verletzt und der Vertrauens­würdigkeit der Wissenscha­ft schweren Schaden zugefügt“, sagte Christiane Woopen, Vorsitzend­e des Europäisch­en Ethikrats (EGE). Auch chinesisch­e Forscher übten Kritik: „Direkte Versuche am Menschen können nur als verrückt beschriebe­n werden“, hieß es in einem Schreiben, das 122 Forscher unterzeich­neten. Die Versuche seien ein „schwerer Schlag für die weltweite Reputation der chinesisch­en Wissenscha­ft“.

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