Angespannte Lage in der Ukraine
Russland lehnt eine Vermittlung ab und warnt vor einer weiteren Eskalation in der Ostukraine. Weitere EU-Sanktionen sind möglich.
Straßensperren wurden verstärkt, die Armee ist in Alarmbereitschaft, in der Ukraine gilt für 30 Tage das Kriegsrecht. Der Zwischenfall an der Meerenge von Kertsch beunruhigt die Welt. Und Wladimir Putin schweigt.
In dem sich zuspitzenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wächst international die Sorge vor einer weiteren Eskalation. Nach einer neuen Konfrontation an der Halbinsel Krim will Deutschland zusammen mit Frankreich versuchen, in dem seit Jahren schwelenden Streit zu vermitteln. Man habe angeboten, in den als Normandie-Format bezeichneten Verhandlungsrunden mit Vertretern aus Russland, der Ukraine, Deutschland und Frankreich „an einer Lösung zu arbeiten“, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas am Dienstag in Berlin.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sieht hingegen keinen Bedarf an einem Vermittler im Konflikt seines Landes mit der Ukraine. „Sollte es irgendwelche technischen Fragen geben, die der ukrainischen Seite nicht ganz klar sind, könnten sie auf der Ebene der örtlichen Grenzbehörden beider Länder erörtert werden“, sagte er.
Der Kreml warnte außerdem vor einer Eskalation der Lage in der Ostukraine. Nach Angaben von Sprecher Dmitrij Peskow könnte das von der Ukraine verhängte Kriegsrecht eine Gefahr für die Sicherheitslage in der von Separatisten kontrollierten Konfliktregion darstellen. Die Spannungen dort könnten weiter zunehmen, warnte Peskow.
Am Sonntag hatte die russische Küstenwache Patrouillenbooten der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch vor der annektierten Halbinsel Krim verweigert. Die drei ukrainischen Schiffe, die ins Asowsche Meer einlaufen wollten, wurden aufgebracht. Es fielen dabei Schüsse. 23 Matrosen wurden festgesetzt. Die Seeleute wurden am Dienstag auf der Krim einem Haftrichter vorgeführt. Wie erwartet, wurden sie wegen Verletzung der russischen Grenze in Untersuchungshaft genommen. Russland hatte 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektiert.
Das Parlament in der Ukraine hatte als Reaktion auf den Zwischenfall das Kriegsrecht eingeführt, das ab heute, Mittwoch, für 30 Tage in den Grenzregionen zu Russland gelten soll. Bei einer Normalisierung der Lage könne das Kriegsrecht jederzeit wieder aufgehoben werden, sagte Alexander Turtschinow, Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats.
Unterdessen bestätigte der ukrainische Geheimdienst die Gefangennahme von eigenen Offizieren durch Russland bei dem Zwischenfall vor der Halbinsel Krim. Gemäß dem Gesetz hätten sie den Seestreitkräften „nachrichtendienstlich“geholfen. Einer der Geheimdienstoffiziere sei vor der Festnahme von einer „ungelenkten Rakete“schwer verletzt worden.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am späten Montagabend mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, nachdem sie vorher mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko gesprochen hatte. In beiden Gesprächen rief sie zur Deeskalation auf.
Putin selbst will sich erst in den nächsten Tagen öffentlich zu den neuerlichen Spannungen äußern. Es sei eine sehr ernste Angelegenheit für ihn, erklärte ein Sprecher.
Estland fordert hingegen neue EU-Sanktionen gegen Russland. „Wir haben gesagt, dass wir bereit sind, die Sanktionen auszuweiten“, sagte Verteidigungsminister Jüri Luik. „Sanktionen sind der kraftvollste Weg, um Russland zu zeigen, dass wir es ernst meinen.“Allerdings müsse dies in der EU einstimmig beschlossen werden. Die EU könne sicher auch Beobachter in das umstrittene Seegebiet senden. „Entscheidend ist, dass wir Russland klar signalisieren, wie ernst die Weltgemeinschaft den Vorfall nimmt“, sagte Luik.
Auch die österreichische EURatspräsidentschaft schließt angesichts der Eskalation im Krim-Konflikt neue Sanktionen gegen Russland nicht aus. „Die Frage von weiteren Sanktionen wird sich zeigen, wir haben demnächst einen gemeinsamen Rat“, sagte Außenministerin Karin Kneissl. Allerdings müsse der Sachverhalt des jüngsten Vorfalls zwischen Russland und der Ukraine noch geklärt werden. Alles hänge davon ab, wie sich der Sachverhalt darstelle. Derzeit stehe bezüglich des Zwischenfalls jedoch „Aussage gegen Aussage“.