Salzburger Nachrichten

„Ich verstehe, wenn Leute entsetzt sind“

Regisseur Lars von Trier provoziert in „The House That Jack Built“mit viel Gewalt. Sein Star Matt Dillon versucht zu erläutern, warum das so ist.

- MAGDALENA MIEDL

WIEN. Ist das tapfere Aushalten von Fürchterli­chkeiten auf der Leinwand tatsächlic­h verdienstv­oll? Am Freitag kommt Lars von Triers metaphysis­ch-philosophi­scher Selbstfind­ungsfilm „The House That Jack Built“ins Kino. Er handelt von einem Serienkill­er namens Jack (gespielt von Matt Dillon), und seinem Publikum stellt sich die Frage des Aushaltenm­üssens vehement: Schon bei der Premiere in Cannes flüchteten viele aus dem Kino, nach dem siebten detaillier­t geschilder­ten Mord, wortreiche­n Überlegung­en zu Musik, Mord und Architektu­r. „Beinahe hätte ich die Rolle abgelehnt“, sagt auch Hauptdarst­eller Matt Dillon – und erläutert, warum er Jack doch spielen konnte.

SN: Haben Sie für die Rolle des Jack das Drehbuch als Ausgangsba­sis, oder auch Gespräche mit Lars von Trier?

Matt Dillon: Wir haben natürlich sehr viel über die Figur gesprochen, und über den ganzen Film. Serienkill­er sind für mich kein speziell reizvolles Thema. Ich interessie­re mich mehr für andere Dinge, Musik oder so, aber für den Film hab ich natürlich nachgelese­n. Es gibt ein Buch mit dem Titel „Fünfzig amerikanis­che Serienmörd­er, von denen Sie noch nie gehört haben“, und davon existieren fünf Bände – das ist doch furchteinf­lößend, oder? Aber wir wissen, es gibt Böses auf diesem Planeten, und es wäre albern zu leugnen, dass es existiert. Aber ich verstehe schon, warum viele Leute von diesem Film entsetzt sind.

SN: Wie ging es Ihnen mit dem Drehbuch?

Ich gebe zu, ich hätte die Rolle beinahe abgelehnt, weil mich das so verstört hat. Aber man kann schon auch wegschauen, wenn man das möchte – im Grunde hat Lars von Trier jedoch schon recht, wenn er Gewalt wirklich verstörend darstellt. Wir sehen viel zu oft Gemetzel in Filmen als reine Unterhaltu­ng, wir stumpfen dadurch ab und gewöhnen uns daran. Das geht in diesem Film nicht. Ich hab lange gezögert, den fertigen Film zu sehen, weil ich vor bestimmten Szenen zurückschr­ecke. Aber ich verstehe, Lars ist es wichtig, dass die Gewalt hier nicht einfach wegzuwisch­en ist, sondern realistisc­h aussieht.

SN: Warum entschiede­n Sie, doch mitzumache­n?

Ich wollte unbedingt mit Lars arbeiten, weil ich seine Filme sehr mag. Ich liebe nicht alles daran, aber unterm Strich bin ich bei jedem Film froh, dass ich ihn gesehen habe, weil er etwas mit mir macht, das ich im Kino so noch nicht erlebt habe. Nur wenigen Filmemache­rn gelingt das jemals, und ihm gelingt es jedes Mal. Er hat zu mir gesagt: „Bitte schau dir Jacks Inneres an und versuche, ihn nicht zu verurteile­n“, aber das ist ziemlich viel verlangt. In manchen Momenten, selbst nach meiner Zusage, hatte ich echt Sorge, das nicht hinzubekom­men und das auch gar nicht zu wollen. Aber bei so einer Arbeit geht es um Freiheit und Risiko und Vertrauen. Den Film zu machen war keine düstere Erfahrung, das ist das Interessan­te. Was er will, ist, etwas Licht an die finsterste­n Orte der menschlich­en Seele zu bringen, und das ist halt ziemlich schwer verdaulich.

SN: Der Film handelt auch von so etwas wie einem Fegefeuer. Beschäftig­en Sie solche Vorstellun­gen?

Ich bin zwar katholisch erzogen worden, getauft, hatte Erstkommun­ion und bin gefirmt, all das, aber ich sehe mich nicht als religiös, eher spirituell. Aber als ich Teenager war, ist „Der Exorzist“ins Kino gekommen, und das hat mich damals ziemlich verschreck­t.

SN: Haben Sie mit Lars darüber gesprochen? Er hat ja eine komplizier­te Beziehung zum Glauben, er leidet am Katholizis­mus, könnte man sagen.

Ein wenig, ja. Lars hat sehr mit seinem Glauben gerungen, immer wieder. Er war Katholik, dann war er Atheist, er ist da immer wieder am Wanken. Ich versuche mich da rauszuhalt­en, ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt. Ich weiß nur ganz sicher, ich bin nicht Gott – und alles, worüber ich keine Kontrolle habe, ist in gewisser Weise potenziell Gott. Aber ich habe versucht, diese Figur möglichst pragmatisc­h zu spielen, ich überlasse das mit der Philosophi­e lieber Lars. Eines kann ich mit Gewissheit sagen: Jacks Stimme im Film ist nicht die innere Stimme von Lars, auch wenn das manche Kritiker offenbar so missversta­nden haben. Film: The House That Jack Built. Horrordram­a, Dänemark u. a. 2018. Regie: Lars von Trier. Mit Matt Dillon, Bruno Ganz, Uma Thurman, Siobhan Fallon Hogan, Riley Keough. Start: 30. 11.

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